Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
Miene
verdunkelte sich. „Machen wir uns nichts vor, Marie. Wir beide sind Verlierer.
Wir werden niemals in unseren Berufen arbeiten. Weil wir ein beschissenes Fach
mit noch beschisseneren Schwerpunkten studiert haben. Und dann waren wir auch
noch so blöd und haben promoviert. Das war der größte Fehler überhaupt.
Personalchefs wollen keine Frauen wie uns. Wir sind überqualifiziert,
besserwisserisch und viel zu teuer. Und was die Uni angeht: Dass ich da nicht
länger rumhängen muss, kann ich verschmerzen. Ich hab eh keinen Bock mehr, mich
um die Erstis zu kümmern. Im Oktober wollen wieder Hunderte die Uni stürmen,
die meisten davon Frauen. Eigentlich erschütternd, dass sie nicht von den
Biowissenschaften lassen können.“
„Die sind halt so schön weich und weiblich und
kuschelig. Da laufen überall Mädels rum, die Rumkugeln essen und Musikvideos
gucken. Die Labore sind voll davon, und in den Büros kannst du sie stapeln.“
„Nur die Chefs sind immer männlich, und die
haben Platz ohne Ende“, sagte Danny düster. Aber dann erhellte sich ihr Gesicht
wieder, und sie hielt der Freundin einen langen und begeisterten Vortrag über
Geburten, Babybreisorten und die Vorteile von Wegwerfwindeln.
Als Marie auf dem Heimweg war, sah ihr nach
innen gekehrter Blick plötzlich ein Paar hellblauer Babysöckchen vor sich. Sie
hingen am Rückspiegel ihres Busses, waren aus zarter Merinowolle gestrickt und
pendelten während der Fahrt hin und her. Prompt spürte sie wieder diese
sehnsüchtig-bangen Stöße am Herzen, wie oft in letzter Zeit. Sie mochte sich
auch nicht recht dagegen wehren, weder als Frau noch als Biologin. Der Mensch
war zwar die Krone der Schöpfung, aber letztlich war er auch nur ein Tier,
dessen Fortpflanzungstrieb tief in den Genen verankert war. Wenn die Zeit reif
war, brach er mit Macht hervor. Dann hatte der Verstand ihm nichts mehr
entgegenzusetzen. Dann hatte man keine andere Wahl mehr, als das zu tun, was er
verlangte: animalischen Sex zu haben und möglichst viele Nachkommen zu
produzieren.
Als sie später mit Jonas darüber sprach, war
seine Reaktion geradezu anbetungswürdig. Schon nach wenigen Sätzen unterbrach
er ihr verlegenes Gestotter und Gestammel, warf ihr in einer plötzlichen
Gefühlsaufwallung die Arme um den Nacken und gestand ihr, dass er auch schon
über Kinder nachgedacht habe. Ja, er wolle welche. Mindestens ein halbes
Dutzend. Am liebsten einen ganzen Stall voll.
In den nächsten Stunden lagen sie im Bett und
schmiedeten wie verrückt Zukunftspläne. Bis Jonas auf einmal einen hauchfeinen
Papierstreifen vom Fußboden aufhob, daraus mit geschickten Fingern einen fein
verdrillten Ring herstellte und ihn Marie an den Finger steckte.
„Was machst du da?“, fragte sie.
„Dich um den Finger wickeln“, sagte er.
„Inwiefern?“
„Das ist dein Verlobungsring.“
Sie schlug die Hände vors Gesicht, schloss
einen Moment die Augen und lächelte wie ein Kind beim Chanukkafest.
„Mach mich nicht schwach“, sagte sie
schließlich, ließ die Hände wieder sinken und betrachtete das Schmuckstück.
Doch dann wusste sie nicht, welcher Teufel sie ritt, als sie hinzufügte: „Du
Jonas, das kommt jetzt vielleicht nicht so gut. Aber bevor wir mit dem Stallbau
beginnen, möchte ich gern wissen, ob du schon mal verlobt warst.“
„Nein, noch nie“, sagte er, stützte sich auf
dem Ellenbogen ab und sah sie an.
„Nicht mal mit Nadine und einem Ring aus dem
Kaugummiautomaten?“
„Nein.“
„Aber du hattest schon viele Frauen.“
„Vier. Mit Nadine waren es fünf.“
„Und? Vermisst du sie?“
„Kein bisschen. Wenn wir uns heute auf der
Straße begegnen, grüßen wir uns zwar noch, aber das war’s dann auch. Sie haben
mir nichts bedeutet, Marie.“
„Okay, das war’s auch schon mit der
Inquisition“, sagte sie und strahlte aus jeder Pore.
„Und du findest ihn nicht altbacken?“, fragte
er, nahm ihren Finger und betrachtete den Ring.
„Nein, er ist hundertmal schöner als ein
klassisches 08/15-Modell und tausendmal origineller.“
„Soweit ich weiß, bedeutet er, dass man
irgendwann heiratet.“
„Das stimmt. Er ist ein Versprechen, ein
Heiligtum. Aber wenn du mich jetzt fragst, ob ich ihn behalten will, und ich
sag ja ... Dann gibt es kein Zurück mehr für dich, dann bist du verlobt.“
„Das bin ich doch längst.“
„Wunderbar, bestens. Ich geb ihn nie wieder
her.“
„Gut, dann machen wir das mit dem Aufpolieren
und Datum eingravieren
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