Die Zukunftsmacher
verschwunden? Und wohin? Der Verdacht nagte an ihm, daß Murray Allan ermordet hatte. Aber warum?
Haß auf Murray schwelte in ihm. Auch der Murray der Vergangenheit war ihm jetzt zuwider. Seine leichte Art erschien ihm jetzt nicht mehr liebenswert sondern nur der Ausdruck seiner grenzenlosen Überheblichkeit. Sein schnelles, herzliches Lächeln erschien ihm falsch, als die überhebliche Grimasse eines Mörders. Doch angenommen, er hatte Allan getötet ... er hätte Tyne gegenüber doch leicht behaupten können, daß die Roskianer ihn ermordet hatten. Schließlich war er, Tyne, ja nicht bei Bewußtsein gewesen, als es passierte. Nichts schien zusammenzupassen. Eins war sicher: Tyne wollte sich Murray vorknöpfen und die Wahrheit aus ihm herausholen.
Er lief zur Tür hinaus, um noch einmal nach einem Dienstboten zu rufen und stieß fast mit einem kleinen Zimmermädchen zusammen.
»Wo ist Amir?« fragte Tyne.
»Amir hat heute seinen freien Tag.«
»Was? Das ist das erste Mal, daß er frei hat, soweit ich mich erinnern kann.«
»Es geht ihm heute nicht sehr gut. Er hat Kopfweh und nimmt Tabletten. Was kann ich für Sie tun?«
Plötzlich wollte er nicht mehr, daß irgend jemand in das Zimmer schaute. Er fühlte sich schwach, müde und hungrig. Es war schließlich seine erste »Menschenjagd«!
»Bringen Sie mir bitte das Frühstück.«
»Frühstückszeit ist schon lange vorbei, Sir.«
»Dann eben Mittagessen, oder irgend etwas sonst.«
Er ging ins Zimmer zurück und verschloß die Tür. Systematisch begann er das Durcheinander auf dem Fußboden zu ordnen. Es schmerzte ihn, Allans Sachen zusammenzufalten und zu wissen, daß Allan sie nie mehr benützen würde. Einiges von Murrays Zivilkleidung fehlte, aber die Uniform war da.
Das Essen wurde ihm umgehend serviert. Es war ein schwer zu definierendes Gemisch aus geschnittener Wurst, Kohl und Reis. Darauf folgte völlig geschmackloses Planktongelee. Eine neue Planktonfabrik an der Küste bei Semapang verschaffte der Insel immer neue Nahrung. Bis jetzt waren die Produkte allerdings mehr nahrhaft als wohlschmeckend.
Während des Essens wurde Tyne besserer Laune. Er hatte die Stellung eines zweiten Sekretärs eines Untersekretärs des Staatsuntersekretärs aufgegeben, weil er Aktionen wollte. Jetzt war die Gelegenheit da. Sein Instinkt, der ihn nach Sumatra geführt hatte, war richtig gewesen. Er war früher festgefahren, trocken und unzufrieden gewesen. Ein Mann ohne Männlichkeit, in eine Karriere gepreßt, die sein Vater für ihn ausgesucht hatte. Seine hauptsächliche Tätigkeit war das Protokollieren gewesen. Wenn man es genau betrachtete, war das ein Synonym für Zeitverschwendung.
Der Äquator jedoch ist der heißeste Teil des Planeten. Hier dreht sich die Erde am schnellsten, obwohl keiner diese Tatsache mit den Sinnen wahrnehmen kann. Jetzt begann eine wirklich aufregende Sache.
Als er das Hotel verlassen wollte, begegnete er dem Besitzer und fragte nach Murray.
»Es tut mir leid, aber ich nicht sehen ihn heute«, sagte Mr. Niap Nam. »Wenn er gekommen, ich ihn nicht bemerkt haben. Jetzt ist am besten, Sie gehen durch Hinterausgang. Vorne ist kleiner Aufruhr von den Ausgesiedelten. Vielleicht sogar schießen diese verrückten Leute.«
»Danke für den Hinweis, Niap«, sagte Tyne. Er hatte zwar schon den Krach auf der Straße gehört, sich jedoch nicht weiter darum gekümmert. Plötzlich hörte er einen Schuß. Das Geschrei wuchs zu einem Crescendo an, und das Getrappel vieler eiliger Füße war zu hören. Tyne schlüpfte durch die Hintertür hinaus in einen Hof, der von einem Kassienbaum überragt wurde. Die Ausgesiedelten waren eine Terroristengruppe, die zum größten Teil aus Eingeborenen bestand, deren »Kampongs« evakuiert worden waren, um Platz für die roskianische Kolonie zu schaffen. Ihre täglichen Anschläge – oft legten sie Bomben mit Zeitzünder in die Autos von Diplomaten – schufen ein zusätzliches Risiko im Leben von Padang.
Tyne machte sich auf den Weg zum Roxy. Wenn überhaupt jemand wußte, wo Murray steckte, dann war es Mina, das kleine Mischlingsmädchen – zur Hälfte Holländerin, zur Hälfte undefinierbarer Herkunft –, die den größten Teil der Freizeit Murrays in Anspruch nahm. Tyne schaute auf die Uhr. Es war kurz nach Mittag. Sein Feind – er dachte an Murray nur noch in dieser Rolle – hatte viereinhalb Stunden Vorsprung.
Das Roxy war ein Nonstop-Kino. Das Foyer war weiträumig und üppig dekoriert. Leute
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