Die Zukunftsmacher
tröstlich, daß Tyne durch das steife Segeltuch murmelte: »Ich heiße Tyne Leslie.«
»Die anderen von meiner Gruppe wissen nicht, daß ich Ihre Sprache beherrsche. Ich habe sie heimlich durch Ihre Fernsehsendungen gelernt.«
»Da muß noch mehr sein, was sie nicht über Sie wissen«, sagte er. »Holen Sie mich aus diesem tragbaren Grab heraus! Sie haben mir vorhin wirklich Angst gemacht, das können Sie mir glauben.«
Sie schnitt mit ihrem scharfen Messer aus dem Tuch ein Loch für sein Gesicht heraus, und er starrte sie an.
Benda Ittai war so nervös wie ein balzender Gockel.
»Schauen Sie mich nicht so an, als ob ich ein Verräter an meiner eigenen Rasse wäre«, sagte sie unsicher. »So ist es nämlich nicht.«
»Das habe ich mir nun nicht gerade überlegt«, antwortete er und grinste unwillkürlich. »Nur, wie passen Sie in das Bild? Wo ist die Verbindung zwischen Ihnen und Murray?«
»Machen Sie sich über mich keine Gedanken! Am besten über gar nichts. Diese Sache ist viel zu groß für Sie. Seien Sie einfach zufrieden, daß ich Sie nicht den Fischen vorwerfe.«
Das Meer war immer noch spiegelglatt. Dunst klumpte sich über dem Wasser zusammen. Benda fuhr mit Hilfe eines Kompasses. Nach kurzem tauchte eine kleine Insel aus dem Nichts vor ihnen auf, gekrönt von Palmen. Das Mädchen drosselte den Motor und ließ das Boot auf einen Sandstreifen auflaufen, der sich zwischen zwei mit üppiger Vegetation bewachsenen Landzungen hinzog.
»Ich werde Sie hier aussetzen. Wenn Budo, Budda zum Schiff zurückkommt, werde ich ihm erklären, daß ich meine Pflicht erfüllt habe. Hier ist das Wasser seicht genug. Ich werde die Fesseln lösen, und Sie können an Land waten. Ohne Zweifel wird ein vorbeifahrendes Boot Sie bald auflesen.«
»Hören Sie«, sagte er verzweifelt. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mein Leben gerettet haben. Aber bitte, sagen Sie mir doch, worum es überhaupt geht?«
»Ich sagte Ihnen doch schon, daß diese Geschichte viel zu gigantisch für Sie ist. Geben Sie sich bitte damit zufrieden.«
»Benda, wie Sie es ausdrücken, bin ich also zu mies für derartige Sachen. Das ist schlecht für meine Komplexe. Sie müssen mir einfach sagen, was los ist! Wie kann die Information, die Murray hat, so wichtig sein, daß jeder bereit ist, dafür einen Mord zu begehen?«
Sie zwang ihn über Bord zu klettern, bevor sie seine Handgelenke losschnitt. Er stand bis zur Brust im Wasser. Sie warf ihm das Messer hin. Als er sich bückte, um es wie einen glitzernden Fisch aus dem Wasser herauszufischen, rief sie: »Ihr Murray hat einen Mikrofilm, wie Sie das nennen würden. Auf dem ist die vollständige Beschreibung einer Invasion der Erde durch eine Alpha-Flotte. Unser Schiff, das vor fünf Jahren hier landete, ist nicht das, was Sie glauben. Die Erdbevölkerung wurde in die Irre geführt. Es ist eine Art Aufklärer, der einen vorläufigen Überblick für jene bilden soll, die jetzt eine gewaltige Invasion starten werden. Gegen das Blutbad, das bald einsetzen wird, können weder Sie, noch ich – wie auch immer wir empfinden – etwas ausrichten. Es ist einfach schon zu spät dafür. Leben Sie wohl!«
Tyne stand hilflos im Wasser und mußte zusehen, wie sie im goldenen Dunst verschwand.
4.
Erde und Mond kreisten um die Sonne. Der Planet drehte sich um seine Achse. Ozeane spülten wie immer an flachen Gestaden. Verschiedenartigste Lebensformen lagen im Kampf miteinander. Auf einer kleinen Insel saß ein Mann und hackte an einer Kokosnußschale herum.
Ein Blick auf seine Uhr zeigte ihm, daß es 16 Uhr 20 Ortszeit war. In drei Stunden würde es dunkel sein. Wenn der heiße Dunst bis Sonnenuntergang nicht verschwinden würde, waren seine Chancen, entdeckt zu werden, äußerst gering.
Tyne stand auf und kaute an den letzten Resten der Kokosnuß herum. Dann warf er die leeren Schalen ins Wasser. Nach einigen Minuten wurden sie wieder ans Ufer gespült. Er war wütend über seine Hilflosigkeit. Ohne die Sonne konnte er nicht einmal feststellen, wo Sumatra lag. Dort, wo auch immer es war, wurde das Schicksal der Erde entschieden. Wenn ein Mensch jene kostbare Mikrofilmspule in die Hand bekam, konnten effektive Gegenmaßnahmen getroffen werden. Stobart hatte vage über »Informationen« gesprochen. Ahnte er den ungeheuren Wert dessen, was Murray mit sich herumtrug? Es war möglich, daß er, Tyne, der einzige auf der Welt war, der im Augenblick wußte, was alles auf dem Spiel stand.
Oder wußte
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