Die Zunge Europas
assimilierte
Südländer
, integrationsresistente Moslems, reaktionäre Ekelschwarze à la 50 Cent oder ewig zugedröhnte Rastamen, es gibt praktisch keinen Unterschied mehr zwischen Original und Fälschung.
In der allerhintersten Ecke gibt es eine Zufallsgästen vorbehaltene Bank, die meist frei ist, weil nur selten Zufallsgäste kommen. Wir setzten uns und tranken schweigend das erste Bier. Dann legte Sven los:
«Du meinst ja immer, dass ich übertreibe, aber die Zahlen sprechen für sich, das musst du zugeben.»
«Was soll ich dazu sagen? Mit deinem ewigen Gezögere hast du alles nur noch schlimmer gemacht. Wir hätten schon längst was Neues haben können. Ich bin’s leid, dir dauernd neue Vorschläge zu machen, die du dann auch immer noch ablehnst.»
«Vorschläge ist gut. Das Zeug verstehen die Leute nicht.»
«Alles hat irgendwann in einer Nische angefangen. Es geht darum, langen Atem zu beweisen und etwas durchzusetzen.»
«Jaja. Wenn etwas auf dem Punkt ist, setzt es sich automatisch durch. Einen Hit kann man nicht verhindern.»
«Das hatten wir doch schon tausend Mal.»
«Nutten sind die Neger Bulgariens, ich weiß noch nicht mal, was das bedeuten soll, geschweige denn, was daran witzig ist.»
«Dann was Einfaches: ‹Die Ohnmacht – Jetlag für Arme!›»
«Probier’s doch einfach selber. Mach doch einfach Vorprogramm mit so Sachen und sieh zu, wie die Leute reagieren.»
«Ich werde niemals in meinem ganzen Leben eine Bühne betreten.»
«Tja, das ist dann dein Problem.»
«Mein Körper wehrt sich regelrecht gegen die Scheiße. Was wir machen, ist einfach nicht richtig.»
«Ach. Richtig. Richtig oder falsch, was soll das denn? Und die anderen machen das Richtige, oder was? Das stimmt doch hinten und vorne nicht!»
«Ach, ich kann nicht mehr. Die Scheißhitze und der ewige Streit.»
Ich öffnete noch ein Bier. Anstrengendes Gespräch. Ich hatte schon wieder einen sitzen.
«Entzündete Hände, die bedächtig den Mohn vom Brötchen pulen, mit spitzem Finger eine Öffnung in die rösche Kruste bohren, das Weiße herausholen und es minutenlang kneten. Der Teig wird zur Hand, und die Hand wird zu Teig, alles löst sich auf, wachsweiche Masse, aus der sich eine neue Gebäckgeneration formt.»
«Was soll das denn werden?»
«Bäcker-Standup. Du bist ab jetzt Comedybäcker. Das Programm heißt
Nährschlamm für Gehirnjogger
. Ein übermenschlicher Konditormeister, psychedelischer Tortenheber und Streuselguru, der alle Backmischungen auf der ganzen Welt auswendig kann.»
«Spitze. Hat jetzt schon das Zeug zum Klassiker. Nächster Vorschlag, bitte.»
«Improcomedy von und für Pfeifenraucher:
Piffpaff, die Rübe brennt
, ein Nischenpremiumformat für einen Nischenpremiumsender wie n-tv oder N 24. Du heißt ab sofort Herr von Klettenstein und bist der Spielleiter. Herr von Klettenstein ist Freiberufler und FD P-Wähler , sein Golfhandicap liegt bei dreiundzwanzig, und auf seiner rechten Arschbacke ist
Sylt
tätowiert. Dein Kultopener: Manhört ja so einiges, die Spatzen PFEIFEN es schon von den Dächern … Was war am Wochenende eigentlich weibermäßig so los?»
«Oha, abrupter Themenwechsel.»
«Ja und. Sag mal?»
«Ich hab jetzt aber keine Lust. Außerdem war da praktisch nichts.»
«Bitte! Ich lebe von den Krümeln, die der Herr vom Tisch fallen lässt.»
«Nächstes Mal.»
«Was sind denn das für Stasimethoden? Bekomm ich die Geschichten jetzt immer nur häppchenweise zugeteilt? Vielen Dank auch.»
«Bitte. Mir ist heute nicht danach.»
«Dann eben nicht. Was findest du besser: Ermüdungsbruch im Wichsarm? Oder Trümmerbruch im Wichsarm?»
«Ermüdungsbruch.»
«Sehr gut! Ich auch.»
«Mmmh.»
Die Rentner waren schon lange weg, und die Rastas schwächelten.
«Gehen wir noch irgendwo hin?» Er wollte noch nicht nach Hause.
«Nee, geht nicht, ich muss morgen um acht hoch, nach Berlin, weißt du doch.»
«Ach, morgen ist das schon. Hatte ich ganz vergessen.»
Ich brachte ihn zur U-Bahn .
«Dann mach’s gut. Und ruf mich mal an und sag, wie’s gewesen ist.»
Zum Abschied küsste er mich auf den Mund, eine neueAngewohnheit von ihm, vielleicht, um das Band zwischen uns enger zu schweißen. Manchmal glaube ich, dass ich der einzige Mensch auf der Welt bin, der ihm was bedeutet, noch vor seiner Frau. Ich hatte ihm vom anstehenden Berlin-Intermezzo nicht viel erzählt. Zum einen, weil ich selber nicht wusste, was genau die da von mir wollten, zum anderen, um ihn
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