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Die Zunge Europas

Die Zunge Europas

Titel: Die Zunge Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Ende:
    Der (übrig gebliebene) Mann: «Und dann wollte ich mich nochmal bei Petra bedanken.»
    Britt: «Ja, das ist schön. Wofür denn nochmal genau?»
    Mann: «Dass sie mich weggebracht hat von dem Pattex.»
    Britt: «Aha. Ja.»
     
    Punkt zwei klingelte es. Sonja kommt immer auf die Minute pünktlich, quarzgenau, atomgetrieben. Ihre letzte Verspätung liegt ewig zurück (zweiter Weihnachtsfeiertag?) Damals hatte ich insgeheim gehofft, dass sie gar nicht kommt. Heute nicht und morgen nicht und übermorgen auch nicht. Sie ruft auch nicht an oder schreibt einen Brief oder schickt eine SMS oder E-Mail . So klingt die Beziehung ohne großes Trara aus. Jahre später läuft man sich zufällig über den Weg, im Schlepptau die neuen «Partner», die exakt so aussehen wie die alten. Linkischer Handschlag, unsteter Blick, verlegenes Räuspern, Käsemauken. Die «Neuen» bleiben in zweiter Reihe stehen und fühlen sich unwohl.
    «Ach, guck mal, gibt’s doch gar nicht. Ewig nicht gesehen. Wo wollt ihr denn drauflos?»
    «Mal sehen, Kino, und danach vielleicht noch einen Happen schnappen.»
    PAUSE.
    «Du hast damals gar nicht mehr angerufen.»
    «Du aber auch nicht.»
    «Ja, ich weiß jetzt auch nicht mehr so genau. Also tschüs dann.»
    «Ja, mach’s gut. Tschööös.»
    Sonja schien zur Abwechslung ganz gute Laune zu haben. Sie grüßte und folgte dann.
    «Was schenkst du Opa denn?»
    «Ein Schweizer Messer, seins ist irgendwie weggekommen. Das weißt du doch.»
    «Ich weiß weder, dass Opa jemals ein Schweizer Messer besessen, noch, geschweige denn, dass er es verloren hat. Ein Schweizer Messer, was will er denn damit noch? Das ist ja wohl das langweiligste Geschenk, von dem ich je gehört habe.»
    «Also folgendermaßen: Ich bin mir sicher, dir davon erzählt zu haben, und falls nicht, entschuldige ich mich offiziell hier und jetzt. Und die Diskussion, was das langweiligste Geschenk der Welt ist, können wir führen, wir müssen es aber auch nicht. Im Übrigen ist das langweiligste Geschenk der Welt ein Gewürzbord, aber, und das gebe ich gerne zu, nur deshalb, weil ich mit zwanzig Jahren eins zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Als junger Mann freut man sich weder über Gewürzborde noch über Teppichkleber oder einen Pürierstab. Ich bin indes der festen Überzeugung, dass sich Oma, die meines Wissens kein Gewürzbord ihr Eigen nennt, darüber ein Loch in den Bauch freuen würde.»
    «Laberlaberlaber. Kannst du dich eigentlich noch gestelzter ausdrücken? Redest du mit anderen Leuten auch so?»
    «Ich empfinde meine Ausdrucksweise keineswegs als gestelzt, ich gebe mir lediglich Mühe, auch Alltagsgesprächen einen gewissen Glanz zu verleihen. Außerdem macht es mir Spaß.»
    «Manchmal hab ich das Gefühl, du willst mich verarschen.»
    «Du weißt, dass das Unsinn ist.»
    «Jedenfalls glaube ich nicht, dass du mit anderen Leuten auch so redest.»
    «Mit den Großeltern rede ich sicher nicht so, weil die damit nichts anfangen können.»
    «Und mit Sven? Mit dem sprichst du doch auch nicht so.»
    «Du bist herzlich eingeladen, bei einem der nächsten Treffen zu hospitieren.»
    «Ach komm, lass mal los.»
    «Ja, finde ich auch.»
    Die Stimmung war schon wieder halb bis zwei Drittel bis drei viertel gekippt. Missmutig trotteten wir zur U-Bahn . Wir sahen aus (konnten gar nicht anders aussehen) wie zwei Dicke, die gerade den nächsten Schnellimbiss ansteuern. Dicke in Begleitung anderer Dicker wirken
automatisch
nochmal dicker. Ich betrat die U-Bahn als Erster. Unbekanntes Terrain wird vom Mann erkundet, das gehört sich so und ist zudem im genetischen Programm verankert. Ich setzte mich auf den nächsten freien Platz, und Sonja ließ sich neben mich fallen. Nicht gegenüber, sondern daneben, wie früher meine Mutter.
     
    Die Busfahrten mit meiner Mutter waren mir immer schrecklich peinlich gewesen. Während sie noch vorne die Fahrscheine löste, hatte ich mich, so schnell ich konnte, nach hinten verdrückt, möglichst auf die letzte Bank. Ich träumte immer davon, dass sie auf dem Schwerbehindertenplatzgleich hinter dem Fahrer Platz nehmen würde, damit nicht rauskam, dass wir überhaupt zusammengehören. Es sollte ein Traum bleiben:
    «WAS SOLL DAS, MARKUS, WIESO GEHST DU DENN NACH HINTEN, HIER SIND DOCH GLEICH ZWEI PLÄTZE. KOMM MAL WIEDER HIERHER!»
    Die Mädchen guckten komisch. Was ist denn mit dem los? Trottel. Arme Wurst. Spastiker.
    «MARKUS, SAG MAL, WAS SOLL DAS, WIESO LÄUFST DU IMMER GLEICH WEG? DU MUSST

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