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Die Zunge Europas

Die Zunge Europas

Titel: Die Zunge Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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nicht mit der Sprache rausrücken.»
    «Ich hab gestern aus Versehen eine mit ins Hotel genommen, und die war erst fünfzehn.»
    «Mann, Sven, du kennst ja wohl gar keine Grenzen mehr. Wie konnte denn das passieren?»
    «Wie das passieren konnte? Mann, du weißt doch, wie das ist!»
    «Nein, leider nicht. Zum Glück nicht.»
    «Die sah wie neunzehn aus. Mindestens. Ich kann mir doch nicht jedes Mal den Personalausweis zeigen lassen. Da kommst du doch nicht drauf, dass die so jung ist. Die hat es richtig drauf angelegt.»
    «Details, bitte.»
    «Auf dem Zimmer hat sie sich gleich bis auf ihre Stiefel ausgezogen und ins Bett gelegt. Da bin ich misstrauisch geworden.»
    «Und, was hast du mit ihr gemacht?»
    «Ich hab sie gefragt, wie alt sie ist, und sie hat’s mir gesagt. Vielleicht dachte sie ja, dass mich das noch zusätzlich anschärft.»
    «Hat es ja wahrscheinlich auch.»
    «Jetzt hör mal auf. Ist doch alles Wahnsinn.»
    «Was soll denn passieren? Die rennt doch nicht gleichzur Polizei oder zur ‹Bild›-Zeitung. So berühmt bist du schließlich auch nicht.»
    «Ich hab aber mit ihr rumgemacht, das ist schon schlimm genug.»
    «Details bitte!»
    «Du weißt doch, was rummachen heißt.»
    «Alles und nichts. Also, Details bitte.»
    «Wir haben vorher noch eine Stunde in der Hotelbar gesessen, und alle haben gesehen, wie ich sie mit nach oben genommen habe.»
    «Ja, gut, dann im Café. Wann?»
    «Zwei Stunden, so was. Bis gleich.»
    Ich brachte die Sachen zurück in den Keller und ging mit der Kladde bewaffnet zu den Zombies.
    «Habt ihr heute Käsekuchen?»
    Fantomas nickte. Wie er sich jetzt wohl fühlte? Er sah besser aus als gestern. Ob ihm die Hitze etwas ausmachte? Fragen über Fragen.
    «Ein schönes Stück mit Schlagobers und einen Pott Bohnenkaffee. Und ein Mineralwasser mit Kohlensäure, richtig zischen soll es.»
    Fantomas nickte und bewegte sich, ohne die Füße vom Boden zu heben, in einer Art Moonwalk in die Küche zurück. Es war nicht viel los, und ich konnte in aller Ruhe meine Fettdepots überprüfen. Richtig viel weniger war es seit gestern noch nicht geworden. Was im Fett außer Wasser und Fett wohl noch drin ist? Schwabbelkram. Schmand. Schmand, klang ganz anschaulich.
    «Onkel Markus, wie war das gleich nochmal mit dem Körper?»
    «Also, von vorn, du musst dir deinen Körper vorstellen wie einen gigantischen Schrotthaufen, fangen wir oben an: Es beginnt mit dem Kopf, dein Kopf ist ein großer vermoderter Kürbis, du weißt doch, was ein Kürbis ist?»
    «Ja.»
    «Und der Rest ist Fett, gemischt mit Schmand. Du weißt doch, was Schmand ist.»
    «Hmmm.»
    Usw.
    Fantomas kam mit dem Käsekuchen angeschlurft. Ein großzügig geschnittenes Stück hat i. D. (im Durchschnitt) vierhundert Kalorien plus die einhundertvierzig Schlagsahnekalorien. Zusammen fünfzig Kalorien weniger als eine Currywurst, aber fünfundsechzig mehr als ein Big Mac und etwa gleich viel wie ein Hamburger mit einer Portion Pommes oder eine Bratwurst mit zwei cl Cognac. Oder anderthalb Kilo Erdbeeren ohne alles.
     
    Anderthalb Stunden noch. Langweilig. Ich las mir die Texte der letzten Tage durch. Das mit dem Schwimmbad war gut. Noch besser gefiel mir
Unsere Mission
. Geradezu poetisch. Trotzdem, das Thema alte Leute war noch nicht richtig
durchverhandelt
. Zu einseitig, es fehlte ein Korrektiv, eine andere Haltung. Was Böses musste her, sogar was Bitterböses. Mir fiel die Formulierung «Boten des Todes» ein, stammte aus dem Schirrmacherschinken «Methusalemkomplex». Das war der richtige Ansatz: eine bitterböse Polemik. Boten des Todes. Ab jetzt: Copyright M.   Erdmann. Safe the copyrights!
     
    Boten des Todes
     
    Kranke, kalte Körper, gefangen in der Bückzone, unendlich gekrümmt, so hängen sie zäh und dürr am Futtertrog des Lebens.
    Noch mit 100 legen sie Vorräte an, als ob sie 1000 werden wollten, speicheln unerbittlich das Brot der Jugend ein. Oldies but Goldies? Nein, Alte sind Boten des Todes, Söldner der Krankheit, gelebte Gerüche.
     
    Sie tippeln auf gebrochenen Oberschenkelhälsen ins Tal der Angst, tote Augen in zerfurchten Gesichtern, abgestorben, von Krämpfen geschüttelt.
    Doch wolln sie scheinbar ewig leben, unnütz und geizig, gemischt mit hohen Kosten, das ist ihre Formel paradox. Oldies but goldies? Nein, Alte sind Boten des Todes, Glöckner des Untergangs, Pförtner der Schwäche.
     
    In ihrem Narbenpanorama spiegelt sich welkes Haar. Sie graben im Hausmüll nach Obst und

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