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Die Zunge Europas

Die Zunge Europas

Titel: Die Zunge Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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recherchieren). Pollakisurie, Nykturie, Strangurie, Hämaturie! Künftig würde ich meine Vormittage wohl in Gesellschaft sehr alter Männer im Wartezimmer eines Urologen verbringen müssen. Beispiel:
     
    Arzt: «Herr Erdmann, geht es Ihnen heute besser? Was ist mit dem nächtlichen Harndrang? Haben Sie Ihre Beckenübungen gemacht?»
    Ich: «Ja, natürlich. Aber ich hab seit dem letzten Mal so furchtbare Poschmerzen, ich glaube, ich hab Hämorrhoiden.»
    Arzt: «Aha. Glauben ist aber nicht wissen. Legen Sie sich doch bitte mal auf die Seite und lassen Sie die Unterhose etwas herunter.»
    Ich: «Bleibt die Schwester im Raum?»
    Arzt: «Na, zum Kaffeekochen habe ich Schwester Irene nicht eingestellt.»
    Schwester Irene: «Hihi.»
    Ich: «Ach so, ja, natürlich.»
    Arzt: «Ich guck mir das jetzt erst mal von außen an. Schwester, gucken Sie, ich ziehe ganz leicht die Pobacken auseinander und seh mir das erst mal nur äußerlich an.»
    Schwester: «Hmm.»
    Ich: «Aua, aua!»
    Arzt: «Was ist denn, das kann doch noch gar nicht wehtun!»
    Ich: «Ein bisschen doch.»
    Arzt: «Sehr gut zu sehen, chronische Analfissur bei sechs Uhr in SSL und deutlicher Sphinkterspasmus.»
    Schwester: «Ja.»
    Ich: «Wie bitte, was?»
    Arzt: «Sie haben keine Hämorrhoiden, sondern eine Fissur. Das ist ein Riss, ungefähr 2   Zentimeter tief im After, verbunden mit einer starken Schließmuskelverkrampfung. Ich trau der Sache aber nicht und möchte mir deshalb mit einem speziellen Gerät auch den tiefer gelegenen Teil des Enddarms anschauen. Sie kriegen jetzt von mir eine örtlicheBetäubung, sonst halten Sie das nicht aus. Das pikst gleich ein bisschen.»
    Ich: «Aua. Aaaaaargh. Muss das so? O Gott!»
    Arzt: «Sie sind total verkrampft. Ziehen Sie die Knie Richtung Kinn. Entspannen Sie sich, sonst kann ich Sie nicht richtig untersuchen!»
    (Ich muss vor Aufregung und Schmerz pupsen.)
    Ich: «Oh, das tut mir leid.»
    Arzt: «Jaja. So, jetzt ganz locker.»
    (Ich stöhne und schreie. Es ist kaum auszuhalten, ganz im Ernst.)
    Arzt: «Locker, sag ich. Ich muss mir das angucken, sonst kann ich Ihnen nicht helfen!»
    Ich: «Ich halt das nicht aus!»
    Arzt: «Sie haben doch jetzt die Betäubung, mein Gott!»
    Ich: «Ich kann nichts dafür.»
    (Pupsen und Wimmern)
    Arzt: «So, jetzt seh ich’s. Hypertrophe Analpapille bei 5 bis 6   Uhr in SSL, polypöser distaler Rektumpolyp unklarer Dignität.»
    Ich
(pupsend, wimmernd
): «Ich kann gleich nicht mehr.»
    Arzt: «Ist ja schon vorbei.»
    Schwester: «Geben Sie Lido posterine?»
    Arzt: «Nein, nein, das hilft nicht mehr. Das muss operiert werden.»
    Ich: «Wie, operieren? Vielleicht helfen ja Kamillenbäder.»
    Arzt: «Kamillenbäder, Sie sind wohl verrückt geworden! Ich könnte Sie auch ambulant hier operieren, aber bei IhrerVerfassung schick ich Sie lieber in eine Klinik, da wird das dann unter ITN, also Narkose gemacht.»
    Ich: «Und das tut dann nicht weh?»
    Arzt
(nun sehr ungehalten
): «Herr Erdmann, was erwarten Sie eigentlich? Dass alles immer ein Spaziergang ist? Es gibt Dinge, die zum Leben gehören, und dazu zählen auch Schmerzen. Aber heutzutage darf ja nichts mehr wehtun. Niemand ist mehr bereit, irgendwas auszuhalten. Dabei sage ich Ihnen: Schmerz kennenzulernen heißt, einen integralen Bestandteil des menschlichen Lebens kennenzulernen. Was Sie haben, ist
nichts
. Ich sage Ihnen, es gibt Schmerzen, von deren Existenz Sie noch nicht mal etwas
ahnen!
So, gehen Sie jetzt bitte mit Schwester Irene nach vorn, wir versuchen ein Bett zu besorgen.»
    Ich: «Vielen Dank, Herr Doktor, tut mir leid. Normalerweise bin ich gar nicht so empfindlich.»
    Arzt: «Lernen Sie den Schmerz aushalten. Sie werden sehen, er wird eine Bereicherung in Ihrem Leben. Nur wer starke Schmerzen ertragen kann, wird sich auf Dauer durchsetzen.»
    Ich: «Ja, Herr Doktor. Danke, auf Wiedersehen.»
    Arzt: «Auf Wiedersehen und viel Glück.»
     
    Alternativ: Dialog mit Sonja:
    «Was hast du denn da unter der Schlafanzughose, die sieht ja ganz unförmig aus?»
    «Nichts weiter. Eine Windel.»
    «Wie bitte? Also, jetzt reicht’s aber! Auf so was steh ich nun echt nicht!»
    «Es ist aber ganz anders, als du denkst.»
    «Wie anders?»
    Usw.
     
    Ein Albtraum. Handelte es sich um eine zufällige und einmalige Dysfunktion, oder hatte sich
grundlegend
etwas verändert, eine irreversible neuronale Verschaltung bzw. Abschaltung? Egal, bei der Hitze würde es bald anfangen zu stinken. Ich zog das Bettzeug ab und stopfte es

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