Die Zusammenkunft
Idee zu sein. Robert war schon das dritte Mal in der Leitung und so beschloss sie, am nächsten Tag ganz früh ins Büro zu fahren und sich rein vorsorglich ein paar Sachen zum Übernachten einzupacken.
Kim freute sich darüber, endlich sturmfreie Bude! »Mama, geh ruhig, ich weiß ja, dass du unter Druck am besten arbeiten kannst. Ich komme schon mit Omma z urecht. Lass dir ruhig Zeit und wenn du bis Freitag nicht zurück bist, dann kann ich doch bestimmt Bianca und Alica zum Übernachten einladen, oder?«
Sie lächelte; es war nicht zu übersehen, dass ihre Toc hter es nicht erwarten konnte, sie los zu sein. »Du bekommst nur mein O. K., wenn wir heute Abend zusammen einen Film sehen und du mit mir kuschelst. Ich sehe gar nicht ein, dass ich nur für das Geldverdienen, Wäsche waschen und Klassenarbeiten unterschreiben da sein soll und keiner mir zeigt, dass man mich auch noch lieb hat!«
Kim verdrehte die Augen. »Mama, es wird wirklich Zeit, dass du dir endlich wieder einen Mann suchst, das hält ja kein Teenager aus!« Sie schlang die Arme um ihre Mutter, drückte sie fest an sich und gab ihr einen geräuschvollen Kuss auf die Wange. Sie waren schon ein starkes Team.
Sirona saß noch nicht ganz am Schreibtisch, als ihr T elefon klingelte. Robert war dran. »Gut, dass du da bist, hier ist die Hölle los. Wir sollen alle in einer Stunde bei Henry sein. Ich hol dich ab, aber die Segel stehen auf Sturm, das verrät mir meine Blinddarmnarbe.« Schon hatte er den Hörer aufgeknallt.
Sirona grinste breit. Robert und seine Blinddarmnarbe, der Mann hatte so viel Instinkt wie ein Küchenbesen, aber sie konnte ihm einfach nicht den Glauben nehmen. Sie stand auf und machte sich in der kleinen Teeküche gege nüber dem Büro einen Senseo-Kaffee. »Lora, sind die Zahlen vom Freitag schon in der Performancetabelle eingetragen?«, fragte sie ihre Mitarbeiterin, als diese hereinkam, um sich einen Löffel zu holen.
»Ja, ich habe gestern Abend spät noch alle Zahlen rein bekommen und eingepflegt.«
»Gut, irgendwelche Auffälligkeiten?«
»Nein, alles plausibel.«
Sirona sah Lora an. Sie hatte sich in der letzten Zeit richtig gut gemausert, hing an Sironas Fersen wie ein Kaugummi und versuchte auf alle Wünsche, die Sirona eventuell mal äußern könnte, vorbereitet zu sein. Auf Lora würde sie aufpassen müssen, damit sie nicht irgendwann im Arbeitsaufkommen verbrannte. Die MICROBANK konnte schnell dazu verleiten, sich zu verausgaben. In diesem Punkt war Sirona wirklich froh, dass sie mit ihren 45 Jahren schon so abgeklärt war, dass sie sich weder die Butter vom Brot noch die Luft zum Atmen nehmen ließ. Sie wusste, dass sie ihren Preis wert war, auch wenn sie kein Studium vorweisen konnte, wie ihre männlichen Kollegen. Ihre Zahlen gehörten zu den besten, seit sie dort arbeitete.
Sie überflog die Kennzahlen und war bis auf ein oder zwei minimale Abweichungen zufrieden. Um die beiden Fälle würde sie sich später kümmern. Ein Blick in ihre Mailbox zeigte ihr, dass sie den halben Tag damit beschäftigt sein würde, ihre elektronische Post zu beantworten.
Robert kam ins Büro, ohne anzuklopfen. Klar, das war sein Privileg. Nach ihrem Auftritt bei Rüdiger verhielten sich sonst alle sehr vorsichtig und distanziert ihr gege nüber. »Bist du fertig?«
»Jepp, ich komme.«
Sie gingen schweigend in Richtung Besprechungszimmer. ›Henry‹ war eigentlich nur ein liebevoller Spitzname, den sicherlich keiner wagte auszusprechen, wenn Hans-Heinrich Syren im Raum war. Er war Mitte fünfzig, mit einem nicht unbeträchtlichen Bauchansatz und von glasklarer Autorität. Er war Mitbegründer der MICROBANK und unangefochtener Patriarch. Damit konnte Sirona gut leben, immerhin ließ er sie zufrieden und unter ihm konnte sie immer schalten und walten, wie sie wollte. So naiv zu glauben, dass er nicht über die wichtigsten Schritte eines jeden Mitarbeiters informiert war, war sie allerdings nicht. Sie schob Robert in eine der hinteren Ecken. Sie mochte es nicht, in der ersten Reihe zu stehen und Augen im Rücken zu spüren.
Als sich alle Führungskräfte eingefunden hatten, ließ Syren sofort die Katze aus dem Sack.
»Ich habe das Übernahmeangebot eines amerikan ischen Unternehmens auf dem Tisch liegen und es macht den Anschein, als wollten sie uns um jeden Preis aufkaufen.« Totenstille im Raum. »Das Angebot ist gut, ich würde weiterhin Hauptgeschäftsführer bleiben. Mitspracherechte würden die Amis allerdings immer
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