Die Zusammenkunft
grübelte. Es war wie so oft. Jedes Mal, wenn er gedacht hatte, sie wieder gefunden zu haben, musste er feststellen, dass es bereits zu spät war. Jedes Mal die Freude, am Ziel zu sein, um dann den Schmerz zu spüren, wenn er an ihrem Grab stand. Sie trieb ein böses Spiel mit ihm. Ihr Erscheinen ließ immer Hoffnung in ihm hochsteigen, eine Hoffnung auf Erlösung. Erlösung aus der Unsterblichkeit. Aber diesmal war es anders, es war nicht nur die Hoffnung auf Erlösung, es war der Drang, sie zu beschützen. Wovor zu beschützen? Wieder vor dem schnellen Tod? Diesmal hatte sie ein Kind, das erste Mal, dass sie nicht alleine war. Er war wütend auf sie, sie hatte ihn verdammt, sie hatte sich ihm jedes Mal durch den Tod entzogen. Er war wütend, weil er das Gefühl in seiner Brust nicht verstand.
Der Hauptsitz seiner Holding lag in Yellowknife im nordwestlichen Teil Kanadas, direkt am Great Slave Lake. Er sah auf die Uhr, es war erst halb zwei. Freddie, sein Kontaktmann in Yellowknife, würde noch in den Federn liegen, bei ihm war es erst halb sieben morgens. Er wählte Freddies Nummer.
»Freddie Brown, verdammt, ich hoffe, Sie haben einen triftigen Grund, mich aus meinen Träumen zu reißen!«
»Guten Morgen, Freddie«, Darken grinste breit, er mochte Freddie, ein Holzfäller und ein Genie, dem er von Zeit zu Zeit ehrliche Anerkennung zollte. Er war sich durchaus bewusst, hätte Freddie die gleiche Zeit gehabt, sich zu entwickeln wie er, dann würde er, Darken, jetzt bei Freddie am Telefon stramm stehen. Während er hörte, wie Freddie Luft holte und wohl dabei war, sich aus seinem Bett zu schälen, kam Aluinn herein und brachte ihm eine Tasse Tee. Darken nickte kurz, und Aluinn huschte hinaus.
»Du hast mich überrascht, es tut mir leid«, stotterte Freddie.
»Hör auf, so einen Scheiß zu reden, du würdest mir in den Arsch treten, wenn du könntest, und es würde dir so lange nicht leid tun, bis ich dir das Genick gebrochen hätte.«
Ein Glucksen bestätigte Darken, dass er Recht hatte.
»Ich will, dass du dir eine Firma ansiehst. Die MICROBANK in Münster, IT für den Finanzsektor. Wenn es einen Weg gibt, dann übernimm sie.« Freddie würde sich eher die Zunge abbeißen, bevor er ein »Warum« herauspressen würde.
»Geht in Ordnung, ich kümmere mich darum. Sobald ich genügend Unterlagen und Informationen zusamme ngetragen habe, melde ich mich.«
»Ach Freddie, van der Bruck ist auch an der Sache dran, schließ dich mit ihm kurz, wenn es sein muss.«
»Mach ich.«
Darken legte auf. Er wählte den Hausanschluss. »Aluinn, bitte serviere mir das Essen draußen.« Dann schnappte er sich die Tageszeitungen und ging hinaus auf die sonnige Terrasse auf der Rückseite des Anwesens. Jetzt hatte er alle Hebel umgelegt, um unbemerkt an sie heranzukommen, um im richtigen Moment einzugreifen. Er erinnerte sich an ihren Blick, als sie unter ihm gelegen und begriffen hatte, als sie gekeucht hatte »Du Mistkerl hast mich getötet … du hast mich getötet!« Insgeheim hoffte er, dass der vorsichtigere Weg, für den er sich entschieden hatte, nicht zu lange dauern würde. Er hoffte, dass sie durch die Eingebungen und Erinnerungen an den Abend hinter dem Hotel nicht den Verstand verlor, bevor er nah genug an ihr dran war, um sie aufzufangen. Aufzufangen – wieder dieses Gefühl, sie beschützen zu müssen. Aber er wollte diesen Weg, er wollte sie nicht einfach nehmen und besitzen. Er wollte, dass diese Frau, die ihn hasserfüllt angesehen und ihm die Nase gebrochen hatte, zu ihm kam. Sie würde nicht sofort kommen, das war nicht denkbar. Aber irgendwann würde sie freiwillig zu ihm kommen und dann wäre er bereit.
Unter dem Tischtuch schwoll sein Penis an. Ein neues Gefühl, aber durchaus kein unangenehmes, im Gegenteil . Er genoss den Druck, wollte ihn entladen, in ihr. Er stellte sich vor, sie zu nehmen und stutzte. Seine Phantasie erschien ihm zugleich fordernd und sanft. Das war erst recht neu. Belustigt über sich selbst, spitzte er die Lippen. »… wenn du weißt zu lieben, wird meine Seele dich erreichen und beherrschen, ist sie bereit, dich grenzenlos und mit Freiheit zu lieben.«
Als er die Augen öffnete, stand Aluinn vor ihm und starrte ihn entsetzt an. Armer Aluinn, er hatte ihn wohl noch nie lächeln sehen.
Schon den ganzen Morgen gingen Anfragen in ihrer Mailbox ein. Eigentlich wollte sie nach dem Vorfall letzte Woche ein paar Tage in Ruhe von zu Hause arbeiten, aber dies schien zurzeit keine gute
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