Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Leipzig den Auftrag erteilt, uns um die Ausrichtung der Frauen- WM 2011 zu bewerben. Damals waren meine Freunde und ich im Kopf noch nicht so weit, denn wir steckten ja noch mitten in den Vorbereitungen für die Männer- WM 2006. Dennoch haben wir uns der Herausforderung gestellt. Franz Beckenbauer hat seine vielfältigen internationalen Kontakte spielen lassen, Gerhard Mayer-Vorfelder hat in der Uefa für die WM in Deutschland geworben. Noch in China hatte ich mir Gedanken gemacht, was passiert, wenn wir diese WM wirklich bekommen. Wir brauchten eine Repräsentantin, die über ähnliche Voraussetzungen verfügte wie Franz Beckenbauer, der ja das Gesicht der Männer- WM 2006 war.
Es musste eine erfolgreiche Sportlerin sein, die auch als Persönlichkeit überzeugt, eine Nationalspielerin, die Aufmerksamkeit gefunden hat, die für Selbstbewusstsein und Leistung steht und für Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit von Frauen und Mädchen werben kann. Schnell war klar: Das konnte nur Steffi Jones sein. Ihr Gesicht verrät Optimismus, Leidenschaft und Respekt. Sie hat schwere Zeiten erlebt in der Familie und im Sport, aber sie hat sich immer wieder durchgebissen, und der Fußball hat ihr die Möglichkeit gegeben, zu einer großartigen und anerkannten Persönlichkeit in unserer Gesellschaft zu werden.
Auch Siggi Dietrich, der Manager des Frankfurter Frauenfußballklubs und ein exzellenter Kenner der Szene, den ich in China in meine Pläne einweihte, war überzeugt von meiner Idee und bestärkte mich darin, sie umzusetzen. Ich rechne ihm besonders hoch an, dass er nichts vorzeitig ausplauderte.
Als Fifa -Präsident Sepp Blatter am 30. Oktober 2007 in Zürich den Umschlag öffnete und verkündete, dass Deutschland die WM 2011 ausrichten würde, fand das nicht die gleiche Aufmerksamkeit in den Medien wie die Vergabe der Männer- WM . Aber für alle, die Sympathie für den Frauenfußball hegen, war es ein wichtiges Ereignis. Für die Mitarbeiter des DFB , die nach den Anstrengungen rund um die WM 2006 in ein Motivationsloch zu fallen drohten, stand eine neue Aufgabe an.
Die Vorbereitung dieser WM musste natürlich anders angepackt werden. Zunächst mussten wir die Landesverbände und Fußballkreise für ihre Mitarbeit gewinnen, deshalb haben wir ihnen Geld zur Verfügung gestellt für Nachhaltigkeitsprogramme an der Basis. Dass wir sechs nationale Förderer gewannen, die insgesamt 24 Millionen Euro für dieses Turnier aufbrachten, war nicht nur ein Indiz für das gestiegene Sponsoreninteresse am Frauenfußball, sondern auch eine ganz besondere Leistung unseres damaligen Generalsekretärs und heutigen Präsidenten Wolfgang Niersbach, der sich mit seiner ganzen Kompetenz und Begeisterung einbrachte und zunehmend Freude an der Entwicklung des Mädchen- und Frauenfußballs gewann.
Eine Ausnahmefußballerin: Birgit Prinz erhält die Auszeichnung zur »Fußballerin des Jahres« 2008 (©IMAGO).
Steffi Jones, mit der ich unmittelbar nach der WM -Vergabe telefonierte, um sie für die Rolle als OK -Chefin zu gewinnen, erwies sich wie erhofft als Glücksgriff. Sie führte unzählige Veranstaltungen durch, in der Spitze wie in der Breite. Sie verlieh dieser WM nach draußen Glanz und fand viel Anerkennung im gesellschaftlichen Bereich.
Nach den guten Erfahrungen mit Franz Beckenbauer vor der Männer- WM war es keine Frage, dass auch Steffi Jones eine solche Welcome-Reise in alle Teilnehmerländer unternehmen sollte. Zwar hatte sie »nur« fünfzehn Länder zu bereisen, aber dennoch war es eine strapaziöse Angelegenheit, die sie mit der gleichen Souveränität und sympathischen Ausstrahlung absolvierte wie seinerzeit der Franz, der sie vor ihren Auftritten im Übrigen sehr gut beraten hat. Es gab zwei problematische Stationen auf ihrer Welttour. Zum einen kam es nicht infrage, zum vorgesehenen Zeitpunkt nach Japan zu fliegen, denn das Land war gerade von dem verheerenden Tsunami und dem folgenden Atomunglück betroffen. Doch Steffi Jones bestand darauf, diesen Besuch nachzuholen, und gemeinsam mit dem japanischen Verband fanden wir eine exzellente Lösung: Steffi ist kurz vor der WM nach Tokio gereist und hat die japanische Mannschaft sozusagen persönlich abgeholt.
Ein außergewöhnliches Reiseziel war Nordkorea. Wir sorgten dafür, dass diese Reise in enger Abstimmung mit der Politik erfolgte, und stellten eine bemerkenswerte Delegation zusammen. Vertreter aller Bundestagsparteien waren dabei, Claudia Roth von den Grünen
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