Die Zwanziger Jahre (German Edition)
machten ein tolles Spiel. Trainer dieses Teams war und ist Bernd Schröder, ein Mann, der zu Recht als Vater dieser Turbinen gilt. Ein knorriger, ehrgeiziger und sehr erfolgreicher Trainer, der den Widrigkeiten der Wende getrotzt und immer wieder mit jungen Spielerinnen den Frauenfußball in Brandenburg, in der ganzen Ex- DDR und damit auch im wiedervereinigten Deutschland nach vorne gebracht hat.
Nach diesem Pokalendspiel war für mich klar, dass ich Anja Mittag einen Begeisterungsbrief schreiben musste. Anja konnte sich wohl nicht recht vorstellen, dass der Schatzmeister des DFB ihr einen solchen Brief schrieb, und reagierte nicht darauf. Später trafen wir uns dann aber öfter, und sie hat sich damit abgefunden, dass ich ihr größter Fan bin.
Von dieser Stimmungslage getragen, bemühte ich mich auch als Geschäftsführender Präsident besonders um den Frauenfußball und seine Strukturen. Unterstützt wurde ich dabei vor allem von Heike Ullrich und von Hannelore Ratzeburg, die sich schon in den frühen Siebzigerjahren sehr engagiert für den Frauenfußball eingesetzt hatte und seit langer Zeit dem DFB -Präsidium angehört. Unser nächstes Ziel war die Europameisterschaft 2005 in England, denn der WM -Titel von 2003 war natürlich Verpflichtung.
Nach Siegen über Norwegen, Italien und Frankreich gewann unsere Mannschaft das Habfinalspiel gegen Finnland mit 4:1 und traf im Endspiel erneut auf Norwegen. Es war das Abschiedsspiel für Tina Theune-Meyer, die nach dieser EM ihre Tätigkeit als Bundestrainerin aufgeben wollte, und ich war sehr glücklich, dass ich mit meiner Frau zum Endspiel am 19. Juni 2005 nach Blackburn kommen konnte. Inka Grings, Renate Lingor und Birgit Prinz schossen die Tore zum 3:1-Sieg, auch Anja Mittag gehörte zu den Stammspielerinnen.
Hinterher feierten wir den Titel und den Abschied von Tina Theune-Meyer bis in die Morgenstunden. Hatte das erste Europameisterteam von 1989 als Anerkennung noch ein Kaffeeservice bekommen, so gab es sechzehn Jahre später immerhin 10 000 Euro Prämie für jede Spielerin. Dass ich diese Summe öffentlich nannte, hat nicht jeder verstanden, gerade so, als sei bei den Frauen unanständig, was bei den Männern in ganz anderen Größenordnungen selbstverständlich ist und gern öffentlich diskutiert wird.
Zuvor hatte ich allerdings ein schmerzliches Erlebnis. Als offizieller Vertreter des DFB , der ja einiges für diese Mannschaft getan hatte, wurde ich überhaupt nicht gefragt, ob ich die Siegerehrung vornehmen wollte. Diese Ehre oblag meinem Doppelspitzen-Partner Gerhard Mayer-Vorfelder, der als Vertreter der Uefa -Exekutive im Stadion war, aber bei aller Sympathie für den Frauenfußball doch wenig Kontakt zur Mannschaft hatte. Wer mich kennt, weiß, dass mir das nicht egal war. Ich kündigte an, sofort abzureisen. Zum Glück hat mich meine Frau, die solche Situationen bei mir natürlich kennt, davon abgebracht – und Siggi Dietrich, der Manager des 1. FFC Frankfurt, machte mir behutsam klar, dass es doch nicht um MV ging, sondern um die Mannschaft und die Spielerinnen, die doch sehr genau wüssten, wer sich für sie eingesetzt hatte. Ich solle mir ein Beispiel an meinem Freund Engelbert Nelle nehmen, der doch diese »Rückversetzung« 2003 auch klaglos ertragen hatte. Das saß!
Umso stimmungsvoller war anschließend die DFB -interne Ehrung im Mannschaftshotel, wo wir quasi unter uns waren, und ich glaube, spätestens da haben die Spielerinnen gemerkt, dass der zunächst Geschäftsführende und später alleinige Präsident des DFB ihnen aufgeschlossen und respektvoll gegenüberstand. Siggi Dietrich aber schulde ich Dank für seinen Einsatz, mit dem er mich vor einer Dummheit bewahrte. Wir sind heute beste Freunde und ich werde gerade auch wegen meiner Wohnortnähe zu Frankfurt dem FFC eng verbunden bleiben.
Durch zahlreiche Besuche von Bundesligaspielen habe ich zu vielen Klubvertretern sehr persönliche Kontakte entwickelt, nicht nur zum 1. FFC Frankfurt und seinem erfolgreichen Manager Siggi Dietrich, dem großen Rivalen von Bernd Schröder. Dass zwei so unterschiedliche Charaktere, der eine in Ostdeutschland aufgewachsen, der andere westdeutscher Manager, nie Freunde werden konnten, kann ich verstehen. Für mich ist es wichtig, sie beide spüren zu lassen, dass ich großen Respekt vor ihrer Arbeit empfinde. Letztlich waren und sind beide für die Entwicklung des Frauenfußballs unverzichtbar.
Nach dem Abschied von Tina Theune-Meyer mit der EURO 2005
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