Die Zwanziger Jahre (German Edition)
haben dürfen. Die garantierte Unabhängigkeit der Ethik-Kommission stellt sicher, dass die Fifa künftig glaubwürdiger auf Vorwürfe reagieren kann – ganz einfach, indem sie diese von unabhängigen Gremien untersuchen lässt. Mit dieser Entscheidung wurde eine Kernforderung erfüllt, die ich schon unmittelbar nach der WM Vergabe an Katar erhoben hatte.
In der Sitzung des Exekutivkomitees im Juli 2012 wurde der Münchner Richter Joachim Eckert zum Vorsitzenden der Gerichtskammer der Ethik-Kommission gewählt. Eckert hat sich als Experte in Sachen Korruption einen Namen gemacht, unter anderem hat er den aufsehenerregenden Prozess um Schmiergelder beim deutschen Siemens-Konzern geleitet. Die Anklagebehörde leitet der US -amerikanische Staatsanwalt Michael J. Garcia, der für Interpol gearbeitet hat und Ankläger im Dopingprozess gegen Sprinterin Marion Jones war.
Und was ist mit den Verfehlungen der Vergangenheit? Die Ethik-Kommission kann sich, das wurde ausdrücklich festgelegt, auch mit zurückliegenden Fällen beschäftigen. Ob sie das tut und in welchem Umfang, ist ganz allein ihre Entscheidung. Im neuen Ethik-Reglement der Fifa ist festgehalten: »Bestechung und Korruption unterliegen keiner Verjährungsfrist.« Andere Vergehen sollen nach zehn Jahren verjährt sein. Das bedeutet, dass die viel diskutierte WM -Vergabe an Russland und Katar durchaus wieder in den Fokus rücken kann, genauso wie andere Vorkommnisse, die Verdacht erweckt haben. Ob und wozu ermittelt wird, entscheidet die unabhängige Anklagekammer der Ethik-Kommission, nicht der Fifa -Präsident oder das Exekutivkomitee. Klar ist allerdings auch, was nach unserem Rechtsverständnis selbstverständlich ist: Bestraft werden kann nur, was zum Zeitpunkt der Tat auch ausdrücklich verboten war.
Unterm Strich ist festzuhalten: Sepp Blatter hat durch diese Maßnahmen eindeutig Macht aus der Hand gegeben. Das bestätigt meinen vor einiger Zeit gewonnenen Eindruck, dass er die Fifa tatsächlich reformieren will. Bei der entscheidenden Sitzung des Exekutivkomitees am 30. März 2012 in Zürich konnten nur der klare Wille und das Durchsetzungsvermögen des Präsidenten eine positive Entscheidung herbeiführen. Das heißt nicht, dass alle Reform-Skeptiker automatisch der Korruption verdächtig sind. In allen Sportverbänden ist die Ansicht weit verbreitet, man mache doch alles richtig, wenn man Turniere veranstaltet, soziale Projekte fördert und weltweit Gutes tut. Das ist vielleicht sogar berechtigt, aber man verkennt dabei die Bringschuld, die wir gegenüber der Öffentlichkeit und den Fans haben. Die Stärke des Fußballs, die aus der Gesellschaft kommt, bringt Verantwortung mit sich. Deshalb müssen wir uns selbst an unsere Regeln halten und dies auch sichtbar machen.
Die Forderung nach Transparenz ist in den Verbänden vielfach umstritten, weil der Sport großen Wert auf seine Autonomie legt und glaubt, niemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Mit Politik will man nichts zu tun haben, benutzt aber den eigenen politischen Einfluss, um genehme Entscheidungen und Gesetze zu erwirken. Ein Verband wie die Fifa , der nicht nur die Einhaltung von Spielregeln kontrollieren will, sondern ethische Verhaltensweisen unter dem Stichwort »For the good of the game« einfordert, darf nicht ständig unter der selbst gesteckten Messlatte hindurchlaufen, sonst verliert er an Glaubwürdigkeit.
Das Exekutivkomitee beschloss in Zürich, dem Kongress unsere Reformvorschläge zur Abstimmung vorzulegen, und der Kongress hat sie Ende Mai 2012 in Budapest mit großer Mehrheit verabschiedet. Auf der Grundlage dieser Reformbeschlüsse sehe ich die Fifa zukünftig in der Verfassung, auf Fehlverhalten effizienter und glaubwürdiger reagieren zu können. Ich kann nicht beweisen, dass es auf hohen Positionen des Weltverbands Funktionäre gibt, die für Bestechung, persönliche Bereicherung und Mauscheleien empfänglich sind, halte das aber nach den Indizien durchaus für möglich oder gar wahrscheinlich. Deshalb braucht die Fifa ein Reglement, das solches Fehlverhalten aufdeckt, ächtet und streng bestraft.
Zwei weitere Kriterien halte ich für unabdingbar, um die Glaubwürdigkeit des Weltverbands zu verbessern. Zum einen, das ist bereits beschlossen, müssen alle Personen, die ein Amt bei der Fifa anstreben, eine Art Führungszeugnis vorlegen, um ihre Integrität nachzuweisen. Zum anderen, und das wird hoffentlich in naher Zukunft geschehen, brauchen wir eine Altersgrenze
Weitere Kostenlose Bücher