Die Zwanziger Jahre (German Edition)
auszutreiben. Ich war kurz davor, mein Amt im Exekutivkomitee abzugeben, ich hatte sogar schon Briefe an Sepp Blatter und Michel Platini formuliert. Doch nach der ersten Empörung war mir klar, dass ich diesen Schritt nach so kurzer Amtszeit unmöglich gehen konnte. Hinzu kam, dass ich während der Frauen- WM im Sommer 2011 lange Gespräche mit Sepp Blatter führte, die mir den Eindruck vermittelten, dass es ihm, aus welchen Gründen auch immer, jetzt wirklich ernst war mit seinem Reformwillen und er nicht nur eine Schauveranstaltung inszenieren wollte.
Die anhaltenden Gerüchte und Vorwürfe, bei der WM -Vergabe an Katar sei Bestechung im Spiel gewesen, schaden dem ohnehin angeschlagenen Image der Fifa schwer. Blatter ahnt, dass dies seine letzte Amtszeit ist, und er will nicht als Chef eines korrupten und reformunwilligen Verbands in die Geschichte eingehen. Deshalb hat er, vielleicht noch gerade rechtzeitig, die Kurve genommen und sich hinter die Forderung nach Offenlegung des ISL -Vergleichs gestellt. Jahrzehntelang hatte die Fifa eng, vielleicht allzu eng, mit dem Rechtevermarkter gekungelt, und als die Firma pleiteging, fanden sich in den Akten Details über üppige Schmiergelder, die an Sportfunktionäre in aller Welt geflossen waren. Die Fifa schloss damals einen Vergleich und zahlte etliche Millionen, damit die Namen der Empfänger nicht bekannt wurden. Jetzt sind die Akten offen. Dort lesen wir nun auch, dass zwischen 1998 und 2000 Schmiergelder geflossen sind. Dies aufzuklären ist Aufgabe der neuen Ethik-Kommission, liegt aber auch in unserem Interesse, sonst haftet der WM -Vergabe 2006 ein Makel an.
Sepp Blatter erklärt heute, dass diese Art von Korruption seinerzeit weder sportrechtlich in der Fifa noch in der Schweiz strafbar war. Streng sachlich ist das sogar richtig. Blatter mag solches Wissen genutzt haben, um sich seine Mehrheiten zu beschaffen oder zu sichern. Solches Verhalten kann man für moralisch verwerflich halten. Aber ob es auf Blatter zutrifft, weiß ich nicht. Strafrechtlich sind die Schmiergeldzahlungen an Fifa -Funktionäre also irrelevant, aber moralisch sind sie natürlich nicht zu billigen. Das gilt auch, wenn man ein entsprechendes Wissen ausnutzt.
Aus den nun veröffentlichten Unterlagen geht eindeutig hervor, dass Blatters Vorgänger als Fifa -Präsident, der Brasilianer Jo ã o Havelange, und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixeira, der im März das Exekutivkomitee der Fifa mehr oder weniger freiwillig verließ, viel Geld von der ISL kassiert haben, damit sie die lukrativen Fernseh- und Sponsorenverträge nur mit dieser Agentur abwickelten. Blatter mag davon gewusst haben – persönlich ist er von den Behörden in der Schweiz nicht beschuldigt worden. Die Ethik-Kommission muss alles aufklären, denn nur durch Transparenz ist Korruption nachhaltig zu bekämpfen.
Es ist ja unstrittig, dass mit Jack Warner, dem Präsidenten der karibischen Föderation, und mit dem asiatischen Präsidenten Mohammed Bin Hammam in den vergangenen Monaten weitere mächtige, aber höchst umstrittene Funktionäre aus dem Exekutivkomitee der Fifa zurückgetreten sind, weil ihnen die Argumente ausgingen gegen die Vorwürfe, sie seien korrupt und hätten sich persönlich bereichert. Andere, wie Reynald Temarii aus Tahiti und Amos Adamu aus Nigeria, wurden suspendiert, weil sie ihre Stimmen für die WM -Vergabe 2018 und 2022 feilgeboten haben. Fünf Exekutivmitglieder sind in nur 18 Monaten ausgeschieden. Manche nehmen diesen Personalschwund als Beleg für die moralische Verkommenheit der Fifa , andere sehen den Beginn einer Selbstreinigung, die jetzt durch strukturelle Reformen untermauert werden muss. Mein persönlicher Eindruck ist, dass Blatter zwar die Ansprüche auf eine saubere Amtsführung formuliert, aber nicht ausreichend darauf geachtet hat, wie sie umgesetzt werden.
Fußballfunktionäre sind genauso anfällig für Versuchungen wie Amtsträger in anderen Bereichen. Die Fifa hat ohne Zweifel immer noch etliche Sünder in ihren Reihen, und die dürfen nicht unterstützt oder versteckt werden, wenn wir das Ansehen des Fußballs hochhalten wollen. Es muss klare Regeln geben, und die müssen eingehalten werden.
Blatter übertrug mir den Vorsitz der Kommission, die die Statuten der Fifa zeitgemäß überarbeiten und neu formulieren sollte. Damit war klar, dass ich das Fifa -Mandat nicht zurückgeben konnte, sondern mich trotz aller Schwierigkeiten, die sich dort ergeben würden und
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