Die Zwanziger Jahre (German Edition)
beweisen, dem Fifa -Generalsekretär melden.« Nicht ein wie konkret auch immer formulierter Verdacht, sondern handfeste Beweise mussten also her, um überhaupt ein Verfahren einzuleiten. Man stelle sich vor, wenn die Staatsanwaltschaften hierzulande erst auf Beweise warten müssten, bevor sie ermitteln dürfen – dann käme es wohl nie zu Gerichtsprozessen.
Bei der Sitzung des Exekutivkomitees in Tokio am 16. und 17. Dezember 2011 in Tokio trug ich den ersten Bericht über unsere Arbeit vor. Ich will nicht verschweigen, dass das Protokoll dieser Sitzung zahlreiche Bedenken von Mitgliedern des Exekutivkomitees erwähnt, denen unsere Vorstellungen zu weit gingen. Die Zeit sei viel zu kurz, um die Vorschläge ausreichend zu prüfen, meinte einer, und ein anderer forderte ganz allgemein, die Fifa -Offiziellen müssten vor unfairer Behandlung, Beleidigungen und Erniedrigungen geschützt werden. Ein Dritter wollte nicht verstehen, warum die Ethik-Kommission künftig schon beim Verdacht auf Korruption ermitteln solle. Wieder andere sträubten sich, dem Fifa -Kongress, in dem alle mehr als 200 Mitgliedsverbände mit Sitz und Stimme vertreten sind, »zu viel Entscheidungsgewalt zu übertragen«, da die nationalen Vertreter sich nicht »zwangsläufig mit politischen Fragen auseinandersetzen wollten«. Über die Motive dieser Einwände kann sich jeder selbst ein Bild machen.
Andere Länder, andere Sitten: In der Weltregierung des Fußballs sitzen nun mal auch Menschen aus Regionen, in denen ganz andere Wertvorstellungen herrschen als in Mitteleuropa. Nicht wenige leben in ihrer Heimat außerordentlich privilegiert und verstehen auch ihr Ehrenamt in der Fifa als Ausdruck ihrer exponierten Stellung. Die Frage beispielsweise, welche Art von Geschenken man annehmen darf, ohne sich bestechen zu lassen, findet da ganz unterschiedliche Antworten. In manchen Kulturen gilt es schlicht als unhöflich, ein Geschenk abzulehnen, und ganz besonders ein großes Geschenk. Da muss man einen gangbaren Mittelweg finden. Entscheidend ist doch dies: Wer eine Gefälligkeit annimmt, darf sich nicht dem Verdacht aussetzen, dass er sich dadurch beeinflussen lässt und bei Beratungen oder Entscheidungen sachwidrig handelt. Auf diese ethischen Grundsätze muss man sich über alle kulturellen Unterschiede hinweg verständigen können. Aber natürlich fällt es dem einen oder anderen schwer, auf Privilegien zu verzichten, an die er sich gewöhnt hat und an denen jahrelang niemand Anstoß nahm.
Vor der Sitzung des Exekutivkomitees am 30. März 2012 in Zürich haben wir in vielen Gesprächen mit den Exko-Mitgliedern für unsere Vorstellungen geworben. Ich habe in der Uefa dafür gekämpft, dass die Europäer möglichst geschlossen diese Reform mittragen, doch ich bin auch hier auf Gegenwehr gestoßen. Auch hier hörte ich immer wieder: So weit muss man doch nicht gehen. Ich glaube nicht, dass europäische Funktionäre etwas zu befürchten haben von mehr Transparenz, aber man muss auch sehen, dass die öffentliche Kontrolle in den europäischen Medien viel stärker ist als in Asien oder Afrika. Negative Schlagzeilen sind unerwünscht, jeder will ja im Fernsehen und in den Zeitungen gut aussehen.
Die Arbeit in der Satzungskommission ging gut voran, die Mitglieder waren in den wesentlichen Punkten einer Meinung. Wir hatten allerdings wenig Zeit, denn Ende März sollten wir dem Exekutivkomitee unsere Vorschläge für eine Satzungsänderung vorlegen, am 24. und 25. Mai musste der Fifa -Kongress in Budapest darüber entscheiden. Das bedeutete für uns, dass wir keine umfassende Reform ausarbeiten konnten, die alle sportpolitischen Fragen klärt, sondern vor allem ein Zeichen setzen mussten, um die Glaubwürdigkeit der Fifa und ihres Präsidenten zu wahren.
Wir haben also der Ethik-Kommission ein Zweikammersystem verordnet, wie es im DFB mit Kontrollausschuss und Sportgericht seit eh und je üblich ist. Wie die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« richtigerweise festgestellt hat, wird es dann zum Beispiel nicht mehr möglich sein, dass ein Spieler auf Anregung eines Fifa -Funktionärs gesperrt wird, wie es Torsten Frings bei der WM 2006 nach dem Viertelfinalspiel gegen Argentinien widerfahren sein soll. Beide Kammern, sowohl die Ermittlungsbehörde wie auch die Recht sprechende Kammer, die über Bestrafung oder Freispruch entscheidet, sollen mit unabhängigen Persönlichkeiten besetzt werden, die über fünf Jahre keine Nähe zur Fifa und ihren Gremien gehabt
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