Die Zwanziger Jahre (German Edition)
oder, noch besser, eine Amtszeitbegrenzung, um zu verhindern, dass Funktionäre im Exekutivkomitee quasi auf Lebenszeit amtieren. Die Fifa muss sich frei machen von diesem familiär-freundschaftlichen Beziehungsgeflecht. Freundschaft und Kameradschaft sind zwar gerade im Sport wichtige Werte. Auch Sepp Blatter spricht gern von der großen »Familie« der Fußballer. Aber in der momentanen Situation scheint es mir wichtiger, mal wieder frische Luft hereinzulassen.
Auch wenn weitere Vorschläge von Mark Pieth wie die Offenlegung der Einkünfte der führenden Fifa -Funktionäre oder eine Begrenzung der Amtszeit noch keine Zustimmung fanden, so sind diese und weitere Themen nicht vom Tisch. Im Protokoll der Exko-Sitzung vom 30. März 2012 ist festgehalten: »Weitere Vorschläge (…) sollen dem Kongress (…) zur Diskussion vorgelegt werden.« Beim nächsten Fifa -Kongress 2013 auf Mauritius soll die Reform fortgeführt werden. Es sind noch einige Punkte abzuarbeiten. So müssen wir in der Satzung auch klar definieren, was die Aufgaben und Wertvorstellungen der Fifa sind.
Man sieht, es bleibt viel zu tun. Aber ich bin guter Hoffnung, dass wir im Jahr 2013 mit den notwendigen Reformen ein entscheidendes Stück weiterkommen.
Grundsätzlich dürfen wir bei aller Kritik an der Fifa nicht vergessen, dass die kulturellen und gesellschaftlichen Einstellungen zum Fußball in den verschiedenen Konföderationen, also Erdteilverbänden, bisweilen stark differieren. Ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen Voraussetzungen; es gibt sehr viele Nehmerländer im Weltverband, die auf Zuwendungen der Fifa angewiesen sind.
Wie weit die Vorstellungen und Möglichkeiten bisweilen auseinanderklaffen, möchte ich an einem Beispiel deutlich machen. Es ging um den Rahmenkalender, in dem nach zähem Ringen mit den Klubs die Termine für die Länderspiele festgelegt werden. Es hatte lange gedauert, bis wir uns endlich darauf einigten, das in der Uefa bewährte System der »Double-Header« auch für den Weltverband zu übernehmen, das heißt, Länderspiele sollen in der Regel im Doppelpack ausgetragen werden, eines freitags oder samstags, das andere dienstags oder mittwochs. Dann sind die Spieler am Wochenende wieder zurück bei ihren Klubs, und der Ligabetrieb wird nur für einen Spieltag unterbrochen. Wir hatten die Regelung im Exekutivkomitee diskutiert, und es schien, als sei die Vorlage reif für die Abstimmung.
Da meldete sich plötzlich ein afrikanischer Delegierter zu Wort, der bis dahin geschwiegen und der Diskussion scheinbar teilnahmslos zugehört hatte. Er wirkte ganz gelassen, als er bekannt gab, er könne diesem Rahmenterminplan nicht zustimmen. Wir waren wie vor den Kopf geschlagen – was hatte er denn jetzt noch für Einwände? Ganz einfach, sagte er, wir haben in Afrika nicht genügend Flugzeuge, um unsere Nationalmannschaften in so kurzer Zeit von einem Ort zum anderen zu bringen. Und wir mussten erkennen, dass die Welt in manchen Regionen ganz anders aussieht als bei uns. Wir haben den Terminkalender schließlich doch mehrheitlich genehmigt, aber die afrikanischen Probleme waren nun mal nicht wegzudiskutieren.
Ich bin mit der Zwischenbilanz meiner Arbeit in der Fifa nach mehr als einem Jahr mehr als zufrieden. Wir sind weitergekommen, auch wenn noch einiges zu tun bleibt. Die Alternative wäre gewesen, mich so zu verhalten, wie es Uli Hoeneß fordert: achtzig Prozent der Exekutivmitglieder aus dem Gremium zu schmeißen. Für solche populistischen Forderungen bekommt man immer Beifall, sie helfen in der Praxis aber nicht weiter.
Uli Hoeneß hat sich schon durch seine unqualifizierten Äußerungen vor der WM in Südafrika international isoliert, als er erklärte, er wolle da nicht hinfahren, weil die Sicherheit nicht zu hundert Prozent gewährleistet sei. Gleichzeitig macht er sich für die Münchner Olympia-Bewerbung stark mit dem Argument, die Sommerspiele 1972 hätten ja gezeigt, wie gut die bayerische Landeshauptstadt so ein Großereignis organisieren könne. Bei allem Respekt, die Münchner Spiele von 1972 sind nicht gerade als Sternstunde der Sicherheitsexperten in die olympische Geschichte eingegangen.
Die Südafrikaner jedenfalls waren zu Recht schwer empört über diese Äußerungen des Bayern-Präsidenten, und WM -Organisationschef Danny Jordaan konterte: »Das Problem dürfte sein, dass Uli Hoeneß noch nie in Südafrika war. Sonst hätte er das vermutlich nicht gesagt. Viele Leute, die noch nie hier waren,
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