Die Zwanziger Jahre (German Edition)
eine sozialdemokratische Hochburg, in der die CDU und die FDP zu Kommunalwahlen erst gar nicht antraten und zwei Freie Wählergruppen die konservative Wählerklientel repräsentierten. Als in diesen Jahren die rheinland-pfälzische Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Helmut Kohl in einer Gebietsreform neue Kreise und Verbandsgemeinden schaffte, war das für uns das Signal, auch die CDU in unserer Region zu verankern.
Ich selbst stamme aus einer bürgerlich orientierten Familie, in der mal die CDU , mal die FDP gewählt wurde. Schon in den letzten Jahren auf dem Gymnasium hatte ich mich sehr für politische Fragen interessiert, vor allem für das Verhältnis der beiden deutschen Staaten. Damals kündigte sich die sozialliberale Koalition an und damit auch ein Umdenken in der Deutschland-Politik. Die deutsche Teilung ist ohnehin zementiert, hieß es damals, lasst uns also die Realitäten anerkennen. Ich war ein erklärter Gegner der sogenannten neuen Ostpolitik, seit ich das Buch »Im Interesse der Freiheit« des damaligen CSU -Bundestagsabgeordneten Freiherr zu Guttenberg gelesen hatte, dessen Thesen mich beeindruckten.
Ein Erlebnis in Prag in den frühen Achtzigerjahren bestärkte mich in meiner Überzeugung. Wir hatten mit unserem CDU -Kreisverband, dessen Vorsitzender ich seit Frühjahr 1981 war, eine Reise in die damalige Tschechoslowakei unternommen und wurden mit dem Bus in ein Schwarzbierlokal in Prag gebracht. Dort war alles bestens vorbereitet, um uns zu verköstigen, im riesigen Speisesaal saß nur unsere Gruppe, und dann belauschte ich auf dem Weg zur Toilette unfreiwillig ein hitziges Gespräch von vier jungen DDR -Bürgern. Vor allem die Mädchen regten sich mächtig auf und schimpften: »So ein Scheißregime; die erzählen uns immer, wie gut es uns geht. Und hier kommt ein Bus voll Kapitalisten an, und wir werden rausgeworfen, bevor wir unsere Suppe gegessen haben.« Die Jungen versuchten zu beschwichtigen, doch die Mädchen waren völlig außer sich.
Diese jungen Leute ließen sich offenbar nicht mehr umerziehen, die hatten am eigenen Leib verspürt, was Unrecht ist und wie Theorie und Wirklichkeit auseinanderfallen. Seit damals hatte ich die begründete Hoffnung, eines Tages gebe es die historische Chance, dass dieses System von innen zerfällt.
Im Mai1985 , als der damalige Landwirtschaftsminister Otto Mayer aus Altersgründen sein Mandat niederlegte, zog ich absprachegemäß als Nachrücker in den Landtag ein. Doch die nächsten Monate wurden zu einer einzigen Enttäuschung. Bei allem Respekt vor den fleißigen Abgeordneten in unseren Parlamenten: Für mich war die Arbeit am Landtag die unbefriedigendste in meiner beruflichen Laufbahn.
Auch als Mitglied der Mehrheitsfraktion kann man sogar mit guten Ideen, die direkt aus der beruflichen Praxis stammen, nichts bewegen. Das liegt an der strengen Hierarchie in den Fraktionen und an der Macht der Bürokratie. Ich war Mitglied in einigen Ausschüssen. Wenn dort die eine oder andere Überlegung entwickelt wurde, kamen sofort rechtliche Bedenken aus den Ministerien, und die Umsetzung wurde auf die lange Bank geschoben. Die Abgeordneten haben wenig Einfluss auf die Gesetzgebung; zum Schluss sind es sehr kleine Gruppen in der Führung der Fraktionen, die darüber entscheiden, was tatsächlich umgesetzt wird.
Diese Erfahrung war für mich, der ich mit großem Elan gestartet war, sehr frustrierend. Im Landtag sind viele Anträge zu bewältigen, man bekämpft sich und hält Fensterreden – das ist nicht unbedingt etwas, das die Menschen begeistert. Es fing schon mit meiner Jungfernrede an, die sich kurioserweise über zwei Tage erstreckte: Ich begann abends um 23.55 Uhr zu reden und war um fünf nach zwölf auch schon fertig. Das war wahrlich keine Sternstunde.
So kam es mir gerade recht, als Ministerpräsident Bernhard Vogel mich bat, die Nachfolge von Heinz Korbach anzutreten, der als Regierungspräsident in Koblenz aus Altersgründen zum Jahresende 1986 ausscheiden musste.
Ich erinnere mich gut an dieses Gespräch, weil es mir erstmals einen kritischen Blick auf Bernhard Vogel gewährte, den ich bis dahin sehr geschätzt, ja geradezu verehrt hatte, weil er ungemein populär war und sehr viel für unser Land getan hatte. Vogel hatte sich offenbar minutiös vorbereitet und erklärte mir ausführlich, was ich in meinem neuen Amt verdienen konnte. Er hatte sich die Details auf einem Zettel notiert und rechnete mir vor, dass ich zusätzlich zu
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