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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Autoren: Theo Zwanziger
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waren die beiden ja auch schon einmal große Konkurrenten gewesen, als es um Kohls Nachfolge als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident ging.
    Hans-Otto Wilhelm hielt eine großartige Rede. Er war eine starke Persönlichkeit, die Menschen in ihren Bann ziehen konnte. Ich selbst wollte eigentlich nicht ans Mikrofon gehen. Dann ergriff ich aber doch das Wort, um mein Votum pro Wilhelm zu begründen, und betonte, dass ich bereit war, die persönlichen Nachteile meiner Entscheidung in Kauf zu nehmen.
    Die Abstimmung brachte ein überraschendes Ergebnis. 258 zu 189 Stimmen, 60 Prozent der Delegierten stimmten für Wilhelm, Bernhard Vogel war der klare Verlierer und verabschiedete sich mit dem denkwürdigen Ausruf: »Gott schütze Rheinland-Pfalz!«, ehe er mit schnellen Schritten den Parteitag verließ. Die Zurückgebliebenen waren baff. Wie konnte Vogel glauben, nach seiner Niederlage bedürfe das ganze Land himmlischen Beistands?
    Doch als die erste Euphorie über Wilhelms Wahlsieg verflogen war, stellten sich Fragen, mit denen man sich früher hätte beschäftigen sollen. Ich gehörte nicht zu Wilhelms Beratern, hatte ja nicht einmal damit gerechnet, dass seine Kandidatur erfolgreich sein könne. Jetzt stellte sich heraus, dass seinem Lager ein Konzept für die nächsten Schritte fehlte.
    Keiner wusste, wie es weitergehen sollte. Wir hatten zwar einen neuen Landesvorsitzenden, aber keinen Ministerpräsidenten mehr.
    Wilhelm hatte ja mit seiner Forderung nach der Trennung von Partei- und Staatsamt die Wahl gewonnen, jetzt konnte er unmöglich Ministerpräsident werden, auch wenn das viele gern gesehen hätten. Andere hätten es ihm als Wortbruch ausgelegt. Er entschied sich also dagegen, Ministerpräsident zu werden. Vielleicht war das ein Fehler. Denn die anschließend inthronisierte »Doppelspitze« mit dem neuen Ministerpräsidenten Carl-Ludwig Wagner, der eigentlich auf Vogels Seite gewesen war, aber wenig von dessen Popularität und Ausstrahlung besaß, trug nicht gerade zum Frieden in der Partei bei.
    In den Medien wurde die Legende vom »Vogel-Sturz« gestreut, seine Partei habe den großartigen Ministerpräsidenten abgewählt, obwohl er doch in Wahrheit den Abschied von diesem Amt selbst herbeigeführt hatte. Vogel gab einige Indiskretionen preis, streute seine Sicht der Dinge über seine Medienkanäle. Damit hat er seiner Partei, die ihn ja erst in diese Ämter gewählt und über viele Jahre getragen hatte, einen Bärendienst erwiesen. Er stellte sich als der Gute dar, die anderen waren die Bösen. Selbst ein so loyaler Mann wie Rudi Geil wurde in diesem Spannungsfeld fast aufgerieben.
    Die Konflikte schwelten weiter, und es lässt sich nicht leugnen, dass der landespolitische Glanz der CDU seit diesem 11. 11. 88 deutlich nachgelassen hat. Mir ist damals klar geworden, dass Kampfabstimmungen auf einer solchen Ebene in einer Partei oder Organisation zu nichts führen. Man muss immer an den Tag danach denken. Wer nicht alle denkbaren Alternativen überlegt hat, wer nicht auch die Unwägbarkeiten bedenkt, die man selbst nicht beeinflussen kann, der wird an einer solchen Konfrontation zerbrechen – so demokratisch und notwendig sie auch sein mag. Diese Lehre von 1988 habe ich auch deutlich vor Augen gehabt, als es sechzehn Jahre später um die Begründung der DFB -Doppelspitze ging.
    Für die verlorene Landtagswahl1991 , die meine Partei die Macht im Land und mich persönlich das Amt des Regierungspräsidenten kostete, wurden von vielen Seiten Hans-Otto Wilhelm und die Ereignisse vom 11. November 1988 verantwortlich gemacht. Es ist wohl richtig, dass auch die damaligen Querelen Einfluss auf das Wahlergebnis hatten.
    Aber man darf nicht übersehen, dass die CDU wenige Monate vor der Wahl in den Umfragen noch glänzend dagestanden hatte. Wir hatten gerade die Wiedervereinigung gefeiert, die Grundstimmung war positiv für die CDU . Doch dieser positive Trend wurde auf bundespolitischer Ebene zerstört durch die Einführung des Solidaritätsbeitrags, die Helmut Kohls Versprechen »Die Einheit muss nicht bezahlt werden« widerlegte.
    Die Landes- SPD und ihr Spitzenkandidat Rudolf Scharping haben dies gnadenlos ausgenutzt, was man einer Oppositionspartei ja nicht verdenken kann: Im Wahlkampf plakatierten sie »Wortbruch« und »Lüge«. Aus meiner Sicht war es vornehmlich dieser bundespolitische Aspekt, der 1991 in Rheinland-Pfalz zum Regierungswechsel geführt hat. Wahlsieger Rudolf Scharping als neuer
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