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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Autoren: Theo Zwanziger
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werden. Das war spätestens nach dem verheerenden Brandattentat in Solingen 1993 deutlich, als fünf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger starben. Bewegt von den Schicksalen der Opfer, setzte Egidius Braun im Präsidium ein Benefizspiel durch zwischen der Nationalmannschaft und einer Ausländerauswahl der Bundesliga unter der Schirmherrschaft des damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau. Wir wollten zeigen, dass der deutsche Fußball für Integration steht und nicht für Ausgrenzung. Die Einnahmen sollten den Hinterbliebenen zugutekommen.
    Allerdings ist die deutsche Gesetzgebung solchen Benefiz-Aktionen nicht gerade förderlich. Der Reinerlös war beachtlich, aber dann schlug die Steuer zu. Da sich der Geschäftsbetrieb der Nationalmannschaft aus den Spieleinnahmen finanziert, gab es keine Möglichkeit, dem Fiskus seinen Anteil vorzuenthalten. Auch Briefe an Helmut Kohl nützten nichts, die Rechtslage war klar. Unser Steuerpapst Edgar Roth schmunzelte: »Das hab ich euch ja gleich gesagt.« Roth leitete zwei Jahrzehnte lang den Steuer- und Wirtschaftsausschuss des DFB . Ich halte ihn neben Hermann Neuberger und Egidius Braun für die wichtigste Persönlichkeit im Ehrenamt in den so prägenden Achtziger- und Neunzigerjahren. Leider ist er am 30. Mai 2012 im Alter von 91 Jahren gestorben.
    Er entwickelte mit uns den DFB -Sportförderverein, dessen Vorsitzender ich wurde. Der Verein hat seit 1993 alle zwei Jahre ein Benefizspiel veranstaltet, das im Grundlagenvertrag zwischen dem DFB und dem Ligaverband fest verankert ist. Dies ist eine einzigartige Leistung des deutschen Fußballs. Nirgendwo sonst auf der Welt steht die Nationalmannschaft in solch einer Weise für soziale und gesellschaftliche Zwecke zur Verfügung. Seit 2001 tritt die Egidius-Braun-Stiftung als Veranstalter auf.
    In den Neunzigerjahren haben wir echte Pionierarbeit geleistet. Der Brandanschlag in Solingen, so grausam er war, hat dazu beigetragen, dass der Fußball sich zunehmend seiner Verantwortung bewusst wurde und diese auch wahrnimmt. Über allem steht das Motto: Wir dürfen nicht wegschauen.
    Egidius Braun hat in solchen Situationen niemals resigniert, sondern stets gefragt: Was können wir tun? So wie nach dem brutalen Überfall deutscher Hooligans auf den französischen Polizisten Daniel Nivel während der WM 1998 in Lens, als Braun spontan einen Hilfsfonds gründete, in dem mehr als eine halbe Million Mark aus Spenden, Benefizspielen und Hilfen des DFB zusammenkam . Die Gründung des DFB -Sportfördervereins hat entscheidend mitgeholfen, dass für den DFB soziales und gesellschaftliches Engagement heute selbstverständlich sind.
    Noch ein Wort zu Egidius Braun. Er verfügt über zwei besondere Eigenschaften, die selten in einer Person zusammenkommen. Zum einen ist er ein knüppelharter Kaufmann, der eine strenge Ausgabendisziplin lebt und anmahnt, andererseits hat er ein stark ausgeprägtes soziales Bewusstsein. Diese Dualität führte öfter zu kuriosen Situationen. So lud er zwar gern die ehrenamtlichen Funktionäre als Dank für ihr Engagement zum geselligen Beisammensein, sammelte dann aber schnell die Zigarren ein, die zu später Stunde haufenweise auf den Tischen lagen, damit nicht der Eindruck entstand, die Funktionäre bedienten sich zulasten des gemeinnützigen Verbands.
    Er hat sich nach dem Krieg mit hohem persönlichem Einsatz aus einer schlichten Kartoffelhandlung ein sehr erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, er ist wirtschaftlich unabhängig und hoch gebildet. Und seine Sorge gilt vor allem dem Wohl der Kinder. Das erfuhr die Öffentlichkeit während der WM 1986 in Mexiko. Babys wurden damals vor dem deutschen Mannschaftsquartier abgelegt, weil ihre Familien sie nicht ernähren konnten. Braun, zu der Zeit Schatzmeister und Delegationsleiter, übernahm spontan für diese Kinder Verantwortung. Ein altes Waisenhaus, die Casa de Cuna in Querétaro, wurde als erstes Hilfsprojekt ausgewählt.
    Braun nahm als Erster auch die Spieler in die Pflicht, sich mit den Verhältnissen im Ausrichterland eines Turniers auseinanderzusetzen. »Das, was wir da gesehen haben, hat uns sehr bewegt«, erinnert sich Rudi Völler, damals Stürmer des Nationalteams, das erst im Finale von Mexiko mit 2:3 gegen Argentinien verlor. Der heutige Sportdirektor von Bayer Leverkusen war der erste Spender für das Waisenhaus, das die deutsche Mannschaft während des Turniers immer wieder besuchte.
    Eine beeindruckende
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