Die Zwanziger Jahre (German Edition)
nur kontrollieren, ob es bei der Entscheidung der Verbandsorgane zu unverhältnismäßigen und gravierenden Fehlern gekommen ist. Wenn eine Schiedsgerichtsbarkeit oder auch ein ordentliches Gericht diese Verbandsautonomie nicht respektieren, dann entsteht Chaos, weil bei der sportlichen Konkurrenz der Vereine untereinander nichts schlimmer ist als eine vermeintliche Ungleichbehandlung, vor allem, wenn der Eindruck entsteht, dafür seien »Beziehungen« entscheidend.
Wohin allzu schnelle vorläufige Gerichtsverfahren führen können, musste in jüngster Zeit auch die Uefa erfahren. Der FC Sion aus der Schweiz hat im Streit um unkorrekte Spielerverträge vor einem ordentlichen Gericht vorläufig recht bekommen und damit den gesamten sportlichen Tabellengang auf den Kopf gestellt. Auch in diesem Fall hat sich am Ende herausgestellt, dass die Uefa recht hatte und im Rahmen ihrer rechtsstaatlichen Satzungen und Ordnungen korrekt handelte. Aber zwischendurch gibt es Schiedsgerichte oder auch Richter, die sich von der öffentlichkeitswirksamen Bedeutung des Fußballsports verführen lassen und unter Begleitung der Medien zu leichtfertigen Entscheidungen neigen.
Zu den prägendsten Erlebnissen in meinen Jahren als Verbandspräsident zählte die Begegnung mit den Fußballern der ungarischen Nationalmannschaft, die 1954 das WM -Endspiel gegen Fritz Walter und Co. verloren hatte. Hans-Peter Schössler, damals Hauptgeschäftsführer des Landessportbunds und später Geschäftsführer der rheinland-pfälzischen Lottogesellschaft, initiierte Anfang der Neunzigerjahre die Partnerschaft zwischen dem Komitat Komárom-Esztergom und dem Fußballverband Rheinland und überzeugte meinen Vorgänger Toni Kahl von der Idee. Es wurde eine herzliche und beglückende Partnerschaft, die 2012 ihr zwanzigstes Jubiläum feiern kann und unter anderem zu einem wertvollen Jugendaustausch zwischen Ungarn und Deutschland geführt hat.
Umrahmt von Idolen: Ferenc Puskás und Fritz Walter (©Wolfgang Heil).
Hans-Peter Schössler übrigens hat wie kein anderer den Sport und die Gesellschaft in Rheinland-Pfalz geprägt. Ob als Fußballer oder Journalist, als Sportfunktionär oder Lottochef, intelligent und bescheiden, ist er die positive Denk- und Kreativfabrik in Rheinland-Pfalz.
Auch diese Partnerschaft war sein Werk und sollte für mich eine große Bedeutung haben, denn ich lernte sie persönlich kennen, meine Idole aus der Jugendzeit: die Helden der 54er-Mannschaft, aber auch die großen ungarischen Fußballer. Schössler gelang es, Fritz Walter für diese Partnerschaft zu gewinnen, und bei einem Besuch im Komitat Komárom-Esztergom traf Fritz Walter die noch lebenden Spieler der ungarischen Endspielmannschaft. Ich kannte sie alle mit Namen. Grosics war da, Buzánszky, Czibor, Hidegkuti – und der große Ferenc Puskás, der beste Linksfuß der Welt. Es war schön zu sehen, wie diese großen Fußballer miteinander umgingen. Wie die Rivalität von 1954 auf dem Spielfeld höchster Anerkennung und tiefem Respekt gewichen war, wie echte Freundschaften entstanden – und wie bescheiden und normal die Helden von damals auftraten.
Der Windhund aus der Pfalz: Horst Eckel, Weltmeister von 1954 (©Getty Images).
Am Ende dieses ersten Aufenthalts übergab ich Fritz Walter eine kleine Seidendecke als Mitbringsel für seine Frau. Er sah mich mit großen Augen an und sagte: »Theo, ihr habt mir doch schon die Fahrt bezahlt.« Was hätte wohl ein Lothar Matthäus gesagt, wenn ich ihm ein solches Deckchen als kleines Geschenk übergeben hätte, schoss es mir durch den Kopf.
Bitte nicht missverstehen: Ich weiß schon die Verhältnisse richtig einzuschätzen. Natürlich arbeiten und leben die großen Fußballer von heute unter anderen Bedingungen als ihre Vorgänger in der Nachkriegszeit. Aber Bescheidenheit und Demut sind Charaktereigenschaften, an denen man zu allen Zeiten festhalten sollte. Fritz Walter war nicht nur ein hervorragender Fußballer, sondern auch ein Mann mit einem großen Charakter. Und wenn er stundenlang Autogramme gab, so konnte er seinen Namen im Gegensatz zu den meisten Fußballstars von heute bei jeder Unterschrift tatsächlich leserlich schreiben.
Fritz Walter war nicht der Einzige. Wir lernten auch die anderen Weltmeister von 1954 kennen, sofern sie noch lebten – besonders die beiden Lauterer Ottmar Walter und Horst Eckel sind mir in all den Jahren gute Freunde geworden. Ottmar Walter, der ruhige und bescheidene Bruder vom Fritz, ein
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