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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Autoren: Theo Zwanziger
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Persönlichkeit und ein väterlicher Freund: Egidius Braun (©Getty Images).
    Auch der damalige Teamchef Franz Beckenbauer weiß noch gut, wie es anfing: »Dass Kinder da in Baracken leben, das kannten wir aus dem Wohlstandsland Deutschland ja überhaupt nicht.« So entstand die Mexiko-Hilfe, die noch heute im Rahmen der Egidius-Braun-Stiftung tätig ist.
    Doch trotz seiner sozialen Ader: Mit seinen Mitarbeitern pflegte Braun bisweilen einen strengen Umgang. Vor dem Jubiläums-Bundestag zum hundertjährigen Bestehen des DFB 2000 in Leipzig beauftragte er gleich fünf hochqualifizierte Mitarbeiter, ihm eine passende Rede zu schreiben. Zusätzlich besorgte er sich noch einen weiteren Entwurf von externer Seite und hielt seinen Leuten vor, diese Rede sei viel besser als all die anderen. Am Ende pickte er sich aus jedem Entwurf das Beste heraus und hielt seine ganz eigene Rede.
    DFB -Präsident wollte er eigentlich gar nicht werden. Er fühlte sich in seinem Amt als Schatzmeister, das er seit 1977 innehatte, sehr wohl und arbeitete gut mit dem Präsidenten Hermann Neuberger zusammen. Beide hatten die Absicht, spätestens 1995 gemeinsam zurückzutreten. Doch dann starb Neuberger, und Braun musste das Amt übernehmen, es gab keine Alternative. Auch wenn sich der damalige FDP -Politiker Jürgen Möllemann zu jener Zeit bei Braun erkundigt hat, wie denn die Chancen für seine Bewerbung stünden. Doch damals wie heute war ein DFB -Präsident ohne Stallgeruch nicht vorstellbar.
    Braun hatte die Unterstützung der Amateurverbände und war auch in der Politik gut vernetzt. Mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau war er gut befreundet. Das hatte er seinem Vorgänger Neuberger voraus, der als eher spröde galt und mehr Wert darauf legte, die Macht und Unabhängigkeit des DFB zu demonstrieren. Aber man durfte sich trotz seines Spitznamens »Pater Braun« von seiner rheinischen Jovialität und seinem sozialen Engagement nicht täuschen lassen: Er wusste genau, was er wollte, und er ließ nicht locker, bis er sein Ziel erreicht hatte.
    Doch er kannte auch seine Grenzen. Ich habe miterlebt, wie er verzweifelt nach einem Ausweg für die WM -Bewerbung suchte. 1992 hatte der DFB bekannt gegeben, dass Deutschland für die WM 2006 kandidieren wolle. Das öffentliche Echo war zurückhaltend, aber im Hintergrund arbeitete Horst R. Schmidt ein Bewerbungskonzept aus, das über alle Zweifel erhaben war.
    Gemeinsam mit Lennart Johansson, dem schwedischen Uefa -Präsidenten, gelang es Braun, die Europäer geschlossen hinter die deutsche Bewerbung zu bringen, auch wenn die Engländer später das Gentlemen’s Agreement – ihnen die EM 1996 , uns die WM zehn Jahre später – aufkündigten und eigene Ambitionen auf die WM -Ausrichtung entwickelten. Johansson wollte seine Karriere mit dem Amt des Fifa -Präsidenten krönen, doch dann warf Fifa -Generalsekretär Joseph Blatter seinen Hut in den Ring. Es war offensichtlich, dass Blatter nur dann eine Siegchance hatte, wenn er mit den afrikanischen Stimmen rechnen konnte, und damit war auch klar, dass er die deutsche WM -Bewerbung nicht befürworten, sondern Südafrika unterstützen würde.
    Egidius Braun wusste, dass eine Niederlage Johanssons bei der Präsidentenwahl die deutsche Bewerbung ernsthaft gefährden würde, und er überlegte krampfhaft, wie er auch ohne Johansson außerhalb Europas eine Mehrheit mobilisieren konnte. Er spürte, dass seine eigenen Möglichkeiten begrenzt waren, und zeigte die Größe, sich nach fremder Hilfe umzusehen. Ich stand bei ihm im Zimmer, er ging unruhig auf und ab und murmelte vor sich hin: »Wer könnte uns denn helfen?« Dann kam ihm die Erleuchtung.
    Er griff zum Telefon und beauftragte seine Sekretärin, die vierundzwanzig Stunden für ihn im Dienst war: »Frau Müller, ich brauche sofort den Franz Beckenbauer!« Sie erwischte den Kaiser irgendwo in Portugal, und Braun redete gar nicht lange drum herum: »Franz«, sagte er, »Sie müssen die WM -Bewerbung übernehmen. Ich mache Sie zum Vizepräsidenten des DFB , und Sie bekommen noch die Zuständigkeit für die Nachwuchsförderung dazu.« Beckenbauer hatte enormen Respekt vor dem Präsidenten und entgegnete: »Ja, Herr Braun, wenn Sie meinen …«
    Natürlich hatte Egidius Braun noch mit niemandem darüber gesprochen, und er trieb unsere DFB -Juristen in die Verzweiflung mit seinem Plan, ohne eine Satzungsänderung, nur per Vorstandsbeschluss, einen Vizepräsidenten zu installieren,
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