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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Autoren: Theo Zwanziger
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großartiger Torjäger, der alles mit großer Gelassenheit beurteilte und glücklich war, wenn eine angemessene Süßspeise auf dem Tisch stand. Obwohl er essen konnte wie kein anderer, hat er ebenso wenig zugenommen wie Horst Eckel, der Windhund aus der Pfalz. Horst, der Jüngste in der Weltmeisterelf, ist bis zum heutigen Tag ehrgeizig geblieben. Das musste ich an meinem sechzigsten Geburtstag an der Tischtennisplatte erleben. Ich war kein schlechter Spieler, aber ich hatte jahrzehntelang nicht mehr gespielt, als er mich an die Platte bat. Diese Niederlage trage ich ihm bis heute nach – irgendwann muss es zur Revanche mit Horst Eckel kommen!
    Die Jahre im Fußballverband Rheinland waren geprägt von der familiären Atmosphäre unter Freunden; hier liegt meine sportliche Heimat, und ich kehre immer wieder gern zurück. Je weiter ich mich von dieser Heimat entfernte, desto mehr musste ich akzeptieren, dass es weniger harmonisch zuging.

6.
    »Mehr als ein Eins zu Null«:
    Begegnung mit Egidius Braun ↵
    Im Herbst 1987 hatte ich eine schicksalhafte Begegnung, die mein weiteres Funktionärsleben bis zur Präsidentschaft im DFB prägen sollte. Als Regierungspräsident musste ich zweimal im Jahr eine Gesellschaftsjagd ausrichten, obwohl ich persönlich diesem Freizeitvergnügen nichts abgewinnen kann. Ich weiß um die Bedeutung des waidgerechten Jagens, aber ich muss immer an die armen Tiere denken – es ist halt nicht meine Sache. Mein Parteifreund Heinz Schwarz, einst rheinland-pfälzischer Innenminister und Bundestagsabgeordneter und in jenen Jahren stellvertretender Vorsitzender des Fußballverbands Rheinland, schlug mir vor, zu Egidius Braun, dem Schatzmeister des DFB , Kontakt aufzunehmen: »Der ist ein großer Naturfreund, und diese Bekanntschaft wäre für dich bestimmt nicht schlecht.« Ich selbst kannte Braun nur aus dem Fernsehen, folgte aber dem Rat und lud ihn zur Jagd in die Eifel ein.
    Es war ein wunderschöner Tag. Die Eifellandschaft lag noch im Nebel, die Sonne begann sich hindurchzukämpfen. Da stand nun die große Schar der geladenen Gäste und Treiber vor mir, dem Nichtjäger, und ich musste einige Worte sprechen. Ich machte kein Hehl daraus, dass mir das Fachvokabular der Jägersprache fremd war, wichtig war mir jedoch, den Mann zu erwähnen, der da recht unscheinbar in seinem grünen Lodenmantel in der Menge stand. Ich begrüßte Egidius Braun, den Schatzmeister des Deutschen Fußball-Bundes, und staunte, wie viel Aufmerksamkeit er sofort auf sich zog. Sogar Leute aus höchsten gesellschaftlichen Kreisen, wie sie sich zu einer solchen Gesellschaftsjagd versammeln, schien die Anwesenheit eines hohen Fußballfunktionärs zu interessieren.
    So hatten sich die Zeiten geändert: In meiner Zeit beim Oberverwaltungsgericht musste ich den Montags-»Kicker« noch ganz verschämt in die »Süddeutsche Zeitung« einrollen, um nicht als Banause zu gelten. Der Fußball war salonfähig geworden, auch die Intellektuellen redeten mit, und die Sympathie für Egidius Braun zeigte sich nicht nur bei der Jagd, sondern auch abends beim gesellschaftlichen Schüsseltreiben.
    Für mich hatte dieser Tag eine viel tiefere Bedeutung. Ich durfte Egidius Braun als Edeltreiber begleiten, eine Aufgabe, die auch den Gästen ohne Jagdschein zugetraut wurde. Die eigentliche Aufgabe der Treiber, das Wild zu ermuntern, genau dorthin zu laufen, wo es dann geschossen wurde, erledigten die Mitarbeiter der Forstverwaltung. Egidius Braun hat zwar einen Jagdschein, brachte auch sein Gewehr mit in die Eifel, aber geschossen hat er an jenem Tag nicht. Ich hatte den Eindruck, dass das Schießen auch gar nicht der Hauptgrund war, weswegen er zur Jagd ging. Neben dem gesellschaftlichen Event schätzte er besonders das Naturerlebnis und erfreute sich an diesem wunderschönen Tag in der Eifel.
    Und ich hatte Gelegenheit, mit diesem bedeutenden Mann Gedanken über unser gemeinsames Hobby auszutauschen. Wir waren uns schnell einig, dass wir den Fußball nicht nur unter Leistungskriterien und als Unterhaltungsmaschinerie betrachteten. Uns war beiden die tiefe Verwurzelung des Sports bei den Menschen wichtig, die soziale Aufgabe, der Amateurfußball. Damals wurde ein neuer Leitspruch geboren, der diese Ideale prägnant auf den Punkt brachte: »Fußball ist mehr als ein Eins zu Null«.
    Andere Mitglieder der Jagdgesellschaft ballerten derweil wild in der Gegend herum, und als die Strecke abgeblasen wurde, lagen da um die dreißig Rehe und
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