Die Zwanziger Jahre (German Edition)
setzt sich aus Überzeugung und mit Leidenschaft für einen sauberen Sport ein. Wir sind beide an einer Beseitigung der Missstände interessiert, jeder kämpft dafür auf seine Weise.
Er übt durch die Offenlegung von Fakten öffentlich Kritik, ich versuche innerhalb der Organisation die rechtlichen Grundlagen zu verändern und glaubwürdige Personen zu installieren. Wir sind uns im Zusammenhang mit den laufenden Reformanstrengungen in der Fifa mehrfach am Rande der Sitzungen und Kongresse begegnet, und ich habe festgestellt, dass er sich in seinen nach wie vor sehr kritischen und aufklärerischen Blogs durchaus fair über mich und meine Aktivitäten äußert. Wir pflegen kein freundschaftliches Verhältnis, aber ein durchaus respektvolles Miteinander, und deshalb ist er für mich im noch laufenden Reformprozess der FIFA , wenn er will, ein wichtiger Gesprächspartner.
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»Eins-zu-Eins-Situationen«: Der Fall Amerell ↵
Manfred Amerell hatte sich im Profifußball bereits einen Namen gemacht, bevor er sich dem Schiedsrichterwesen zuwandte. In den Siebziger- und Achtzigerjahren war er Geschäftsführer bei 1860 München, beim FC Augsburg und beim Karlsruher SC , dem er 1981 den berühmten Max Merkel als Trainer bescherte. Nebenbei startete er eine Karriere als Unparteiischer, fing ganz unten an und leitete 1987 sein erstes Bundesligaspiel. 1994 beendete er als 47-Jähriger seine Schiedsrichterlaufbahn aus Altersgründen und wurde Funktionär. Zuletzt war er Obmann des Schiedsrichterwesens im Süddeutschen Fußballverband und damit zugleich Mitglied im DFB -Schiedsrichterausschuss. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte unter anderem die Sichtung und Förderung junger Schiedsrichtertalente.
Die Machtfülle der Obleute auf allen Ebenen ist im Schiedsrichterwesen ein altbekanntes Thema. Auch Manfred Amerell präsentierte sich gern als »Schutzpatron« der Unparteiischen. Sein Credo: Schiedsrichter können zwar Fehler machen, es soll aber möglichst niemand davon wissen. Nach dem Motto: Wir regeln alles intern, und wenn wir doch kritisiert werden, dann schlagen wir zurück. Amerell war deshalb stets bestrebt, die Eigenständigkeit des Schiedsrichterwesens und damit auch seine Macht zu festigen.
Am 31. Januar 2002 kam es in Frankfurt zu einem Grundsatzgespräch zwischen dem Schiedsrichterausschuss und dem damaligen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder, an dem ich als Schatzmeister ebenfalls teilnahm. Volker Roth, der damalige Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses, und Manfred Amerell wollten die Verantwortung für die Schiedsrichteransetzung, die Beobachtung und die Bewertung der Unparteiischen bündeln in einem Managing- und Coachingsystem, das den Managern und Coaches auch lukrativ vergütet werden sollte. Sie betonten, die klassische Beobachtung von Schiedsrichtern gehöre der Vergangenheit an, das nunmehr eingeführte Managing-Coaching sei vielmehr eine Art der Betreuung, die von beiderseitigem Vertrauen gekennzeichnet sei.
Obwohl wir im Präsidium die Gefahren dieses Modells durchaus erkannten, weil es den Schiedsrichter-Managern viel Macht bescherte und die intensive Betreuung der Spitzenschiedsrichter zu Abhängigkeiten führen musste, setzte der Schiedsrichterausschuss das neue System letztlich durch. Wer konnte schon etwas gegen bessere Schiedsrichterleistungen im Spitzenbereich haben? Wozu das führte, wissen wir heute. Ein außerordentlicher Bundestag hat acht Jahre später dieses System wieder aufgehoben und die Machtfülle der Schiedsrichterobleute begrenzt.
Abhängigkeitsverhältnisse bedürfen einer genauen Kontrolle des Mächtigen, denn es besteht immer die Gefahr, dass Macht missbraucht wird. Wer auf andere angewiesen ist, um beruflich, sportlich oder gesellschaftlich weiterzukommen und seine Ziele zu erreichen, neigt dazu, Dinge zu tun, die er ohne diese Abhängigkeit nicht tun würde.
Im November 2007 hatte das DFB -Präsidium darüber zu entscheiden, ob Manfred Amerell erneut in den Schiedsrichterausschuss berufen werden sollte. Sein Verhalten und zahlreiche öffentliche Äußerungen hatten ihn ins Abseits gedrängt. Es nervte vor allem viele Ligavertreter, wie Amerell sich bei Bundesligaspielen auf der Tribüne mit anderen Zuschauern anlegte, wenn er umstrittene Schiedsrichterentscheidungen verteidigte. Die Liga ging deshalb auch sehr kritisch mit Amerell um und hätte seine erneute Nominierung am liebsten verhindert. Deutlich wurde die Erwartung formuliert, Manfred Amerell bei einer weiteren
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