Die Zwanziger Jahre (German Edition)
muss erst recht dann angenommen werden, wenn die Persönlichkeit mit Führungsverantwortung durch außerordentlich hohe fachliche Kompetenz, forderndes Wesen und starken Einfluss auf die den jungen Schiedsrichter betreffenden Entscheidungen gekennzeichnet ist. Die Art der sexuellen Beziehungen ist dafür zweitrangig. Für die sportethische und sportrechtliche Beurteilung kommt es vor allem auf die Pflichten an, die sich aus dieser Personalverantwortung und der mit ihr verbundenen Abhängigkeit ergeben.«
Mir wurde und wird vorgeworfen, ich hätte viel zu früh Partei ergriffen für Michael Kempter, der im Zuge der Affäre ins Zwielicht geriet, weil sich durch seine teils widersprüchlichen Aussagen und andere Indizien die angebliche Nötigung als einvernehmliche Beziehung darstellen ließ. Für Bischof Huber indes war auch die öffentlich so heiß diskutierte Frage, ob Kempter sich nicht doch freiwillig auf das Liebesverhältnis mit seinem Schiedsrichterobmann eingelassen habe, zweitrangig: »So verurteilenswert sexuelle Übergriffe insbesondere dann sind, wenn sie den Charakter der sexuellen Nötigung tragen, so sehr ist doch darauf hinzuweisen, dass sportrechtlich und auch sportethisch in einem solchen Fall die Pflichten, die sich aus einer Leitungsverantwortung im Sport ergeben, ausschlaggebend sind. Diese Pflichten sind bei ehrenamtlicher Tätigkeit genau die gleichen wie bei beruflicher Tätigkeit.« Dem ist nichts hinzuzufügen.
Mächtig vergaloppiert hat sich in dieser Causa auch der eine oder andere Journalist. Allen voran Michael Horeni von der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, der sich nach Kräften bemühte, mir den Schwarzen Peter zuzuschieben und mir katastrophales Krisenmanagement zu bescheinigen. Dazu bediente er sich eines Zitats von mir, das er nicht mal mit eigenen Ohren gehört hatte, weil er bei der betreffenden Veranstaltung nicht anwesend war. Überflüssig zu erwähnen, dass er es auch nicht für nötig hielt mich anzurufen, um zu fragen, wie ich das Zitat gemeint, geschweige denn, ob ich es überhaupt so gesagt hatte.
Bei einer Pressekonferenz im März 2010 war ich gefragt worden, wie es denn nun mit Schiedsrichter Kempter weitergehe. Meine Antwort zitierte Horeni in verkürzter Form und sinnentstellender Weise so: »Ich will nichts verallgemeinern, aber schauen Sie doch mal, was derzeit in anderen Lebensbereichen abläuft. So ein System ist dank des Mutes von Herrn Kempter bei uns aufgedeckt worden. In anderen Bereichen stellt man fest, dass sich die Menschen erst nach vierzig Jahren melden.«
Horeni unterschlug nicht nur meine vorsichtige Einschränkung (»Wenn das stimmt, was er [Kempter] uns gesagt hat …«), er zog darüber hinaus eine drastische Folgerung: »Zwanzigers skandalöser Vergleich ist eine Zumutung. Die Vorwürfe von vier erwachsenen Schiedsrichtern gegenüber Amerell sind weiter ungeklärt. Der Staatsanwalt hat bisher keine Anklage erhoben. Amerell hat bisher als unschuldig zu gelten. Zwanziger aber erweckt nun sogar den Eindruck, das ›System Amerell‹ und der jahrelange systematische sexuelle Missbrauch von minderjährigen Schulkindern in katholischen und privaten Einrichtungen durch Lehrer stünden in einem direkten Zusammenhang. Das ist weder juristisch akzeptabel (erst recht nicht für einen ehemaligen Richter wie Zwanziger) – und schon gar nicht moralisch.«
Der Autor hat nichts verstanden, denn er hat etwas kommentiert, was ich so weder gesagt noch jemals gemeint habe. Es ging für uns, also den DFB , nicht um die strafrechtliche Verantwortung Amerells, sondern um die Verletzung eines Abhängigkeitsverhältnisses und eines Machtmissbrauchs, den wir im Rahmen unserer Verbandsgerichtsbarkeit verhandelt hätten, wenn Amerell uns nicht mit seinem Rücktritt zuvorgekommen wäre. Amerell konnte also insoweit gar nicht »unschuldig« sein.
Pikanterweise nutzte Manfred Amerell dann diesen schrägen » FAZ« -Kommentar, um erneut eine einstweilige Verfügung gegen mich zu erwirken, die mir untersagte, sein Verhältnis zu Michael Kempter mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche gleichzusetzen.
Das Oberlandesgericht München gab mir im Hauptsacheverfahren mit deutlichen Worten recht: »Die Aussage, dass in anderen Bereichen die Leute erst nach 40 Jahren den Mut aufbringen, kann zwar eine gedankliche Verbindung zu den damals in der Öffentlichkeit vielfach berichteten Fällen von sexuellem Missbrauch von Kindern in kirchlichen Bereichen herstellen. Der
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