Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Weinreich ausgefochten habe. Die Sache ist juristisch und medial aus dem Ruder gelaufen, was ich auch ein Stück selbst zu verantworten habe. Eines Tages im Sommer 2008 zeigte mir unser Pressechef Harald Stenger einen Textausschnitt aus dem Internet, begleitet von dem empörten Brief eines Ehrenamtlichen aus Bayern. Der Blog befasste sich mit der Absicht des Kartellamts, der Bundesliga ihre neuen Vermarktungspläne zu untersagen, die die Übertragungen weitgehend ins Bezahlfernsehen verschoben hätten. Dazu hatten sich diverse Ligagrößen wie Uli Hoeneß sehr kritisch geäußert, und der Blogschreiber kritisierte wiederum das Selbstverständnis der Vereinsbosse, die um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Fußballs fürchteten. Dazu schrieb Jens Weinreich einen Kommentar, in dem er mich als »unglaublichen Demagogen« bezeichnete, und bezog sich auf einen Auftritt von mir bei einer Veranstaltung in Berlin zum Thema Sport und EU . Da bestand ja eigentlich kein Zusammenhang, aber es ging in diesem Fall auch gar nicht um die Inhalte.
Ich kann damit leben, wenn man meine Äußerungen als falsch oder unsinnig kritisiert, aber das Werturteil, ich sei ein »Demagoge« und noch dazu ein »unglaublicher«, das hat mich sehr getroffen. Wenn ich den Begriff Demagoge höre, denke ich an Joseph Goebbels, und mit dem wollte ich mich auf keinen Fall vergleichen lassen. Meine damalige Empörung wird für manche nach der Lektüre dieses Buches vielleicht verständlicher. Ich fühlte mich in die Nähe der Nazis gerückt, und nichts liegt mir ferner als die Demagogie jener »Volksverführer«. Das hätte ich gelassener sehen sollen, aber jeder Mensch hat seine eigene Sensibilität, und ich bin eben auf diesem Gebiet besonders empfindlich.
Die Angelegenheit kam ins Rollen und entwickelte schnell eine ungute Eigendynamik. Ich ließ prüfen, ob wir juristisch gegen diese Äußerungen vorgehen konnten. Wir scheiterten mit mehreren Anträgen auf einstweilige Verfügungen, weil wir die ganze Sache nicht richtig durchdacht und dummerweise nicht einmal geklärt hatten, was ich damals in Berlin wirklich gesagt hatte. Es gab sogar einen Tonbandmitschnitt, den wir aber erst später zurate gezogen haben. Ich hatte mich bei jener Podiumsdiskussion, an der unter anderem auch DOSB -Generalsekretär Michael Vesper und »Bild«-Journalist Alfred Draxler teilnahmen, für die Autonomie des Sports in den Grenzen des geltenden Rechts ausgesprochen, wie das meiner Überzeugung entspricht. Dass ich mich so positioniert habe, mag nicht jedem gefallen haben. Ich bin mir aber sicher, keinen Anlass geliefert zu haben, mich einen »unglaublichen Demagogen« zu nennen. Einer solchen Einschätzung, die ich als sehr verletzend empfand, wollte ich mich nicht widerspruchslos aussetzen.
Auf diese Situation hatten einige Journalisten offenbar nur gewartet, um sich sehr schnell zu solidarisieren unter dem Motto: Zwanziger gegen Pressefreiheit. Ganz so ist es nicht. Ich weiß schon einzuschätzen, was Pressefreiheit in einer Demokratie bedeutet. Ich weiß aber auch, dass die Pressefreiheit nach unserem Grundgesetz ihre Grenzen dort findet, wo die persönliche Ehre eines Einzelnen verletzt wird. Deshalb musste geklärt werden, ob meine Aussagen eine solche Würdigung rechtfertigten.
Jens Weinreich und seine Unterstützer traten in den Zeitungen und im Internet eine Kampagne los, die den Eindruck erweckte, als werde da ein kritischer Journalist von einem mächtigen Verband in seiner beruflichen Existenz bedroht. Das war gewiss nicht meine Absicht; wir mussten eine einvernehmliche Lösung finden. Schließlich kam mithilfe des DFB -Vizepräsidenten Rainer Koch ein Vergleich zustande, mit dem wir beide, Jens Weinreich und ich, leben konnten. Weinreich erklärte, dass er mich mit der Formulierung »unglaublicher Demagoge« nicht in die Nähe eines Volksverhetzers rücken wollte, der DFB distanzierte sich von seiner Pressemitteilung, die Weinreich so verstanden hatte, als wollten wir ihn in seiner Arbeit als kritischer Sportjournalist behindern.
Ich werfe mir heute vor, nicht früher zum Telefonhörer gegriffen und die Angelegenheit in einem offenen Gespräch aufgeklärt zu haben. Umso mehr, nachdem ich Weinreich einige Jahre später auf Initiative meines Pressereferenten Stephan Brause persönlich kennenlernte. Bei dieser Gelegenheit stellten wir fest, dass unsere Auffassungen insbesondere in der internationalen Sportpolitik gar nicht so weit auseinander liegen. Er
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