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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Zwanziger
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Verfehlung sofort abzuberufen.
    Amerell durfte also im Schiedsrichterausschuss bleiben, auch weil der Präsident des Bayerischen Fußballverbands, Rainer Koch, gleichzeitig DFB -Vizepräsident Recht, sich für seinen Landsmann eingesetzt und zugesichert hatte, im Falle einer weiteren Verfehlung von Manfred Amerell stehe er zu seinem Wort und werde umgehend die erforderlichen Schritte einleiten.
    Am 12. Januar 2010 erschien bei »Welt Online« ein Porträt von Michael Kempter, der als junger Schiedsrichter eine Blitzkarriere gemacht hatte und schon als 23-Jähriger sein erstes Bundesligaspiel pfiff. Der Autor des Artikels »Ein Schiri auf der Überholspur« lobte das pfeifende Talent und fügte an: »Kein Wunder also, dass Manfred Amerell, der im DFB -Schiedsrichterausschuss für den Nachwuchs zuständig ist, ins Schwärmen gerät, wenn er über seinen Schützling spricht. Dieser sei ein Ausnahmetalent und dabei auch noch wahnsinnig ehrgeizig.« Drei Tage später erhielten diese Sätze eine ganz neue Bedeutung.
    Am 15. Januar 2010 erfuhr ich nämlich, dass Kempter seinem Patron Amerell vorwarf, ihn sexuell bedrängt zu haben. Ich informierte sofort Wolfgang Niersbach und Stefan Hans im Generalsekretariat. Wir hatten Zweifel an Kempters Darstellung, weil wir uns so etwas kaum vorstellen konnten. Also führten wir zu dritt ein langes Telefonat mit Michael Kempter, in dem er seine Vorwürfe ausführte, und baten danach Manfred Amerell zu einem Gespräch. Am Ende war uns klar: An Kempters Vorwürfen ist etwas dran.
    Gemäß der Satzung des DFB kann das Präsidium bei Pflichtverletzungen von Ausschuss- oder Kommissionsmitgliedern entsprechende Maßnahmen in eigener Zuständigkeit einleiten, ohne den Kontrollausschuss einzuschalten. Unsere Rechtsabteilung hörte einige der von Michael Kempter angegebenen Zeugen an, und noch vor Abschluss des Verfahrens trat Amerell zurück. Damit war aus Sicht des DFB der Fall sportpolitisch eigentlich erledigt. Sportrechtliche, strafrechtliche und zivilrechtliche Fragen blieben selbstverständlich offen, weil wir möglichen behördlichen Maßnahmen, insbesondere etwaigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, nicht vorgreifen wollten und konnten.
    Heute wissen wir, wie schwer die Pflichtverletzungen waren, die sich Manfred Amerell zuschulden kommen ließ. Auch wenn er in einer Art Kreuzzug durch alle Medien immer wieder den Eindruck zu erwecken sucht, ihm sei übel mitgespielt worden, so muss doch festgehalten werden: Ein Vorgesetzter, der über die Karriere seiner Untergebenen entscheiden kann, darf keine sexuellen Beziehungen mit den von ihm Abhängigen eingehen. Dabei ist es unerheblich, ob sich diese Beziehungen vermeintlich im Einvernehmen abspielen, welches Geschlecht die Partner haben und ob sie volljährig sind oder nicht.
    Es meldeten sich bald drei weitere Schiedsrichter, die Amerell belasteten. Von deren Pressekonferenz in einem Frankfurter Hotel berichtete der »Spiegel« im März 2010:
    »Es geht um Annäherungsversuche im Auto bei gemeinsamen Lehrfahrten zu höherklassigen Spielen, um geplante unbeobachtete Zweisamkeit, ›Eins-zu-eins-Situationen‹ nennt es einer der Betroffenen im Fußballjargon. ›Es ging von Küssen bis zu den Genitalien, bis zum Sich-dran-Vergehen‹, sagt einer. Der seelische Schock sei ›immer noch da‹.
    Doch wie hat Amerell die von ihm betreuten Schiedsrichter über Jahre zum Schweigen gebracht? ›Man schämt sich und hat gedacht, das passiert einem nicht‹, sagt einer der Betroffenen. Wie hat er solchen Druck ausüben können, war es Nötigung? ›Für mich ist es Gewalt, wenn ich gegen den Willen eines Menschen etwas mache‹, sagt einer. Amerell war ein Vorgesetzter, er entschied über die Schiedsrichteransetzungen von der Regionalliga abwärts allein, er bestimmte, wer die Referees beobachtete.
    Er habe oft den Begriff ›in der Spur sein‹ benutzt; man sei nicht mehr in der Spur gewesen, wenn man Gefälligkeiten nicht geduldet habe. Und ›wer nicht spurt, kommt in den Stall‹, habe es geheißen, das sei seine Drohung gewesen: kein Spieleinsatz, zu Hause bleiben. Auch habe Amerell sich beschwert, wenn man als junger Schiedsrichter abends zu lange ausging oder wenn man mal die Freundin zum Spiel mitbrachte. Man habe sich für das Privatleben rechtfertigen müssen, so formuliert es einer, der jetzt nicht mehr aktiv ist. Amerell habe überall seine Informanten gehabt.
    Losgegangen sei es damit, dass der Funktionär Vertrauen aufgebaut habe

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