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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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geworden.«
    »Meine Kleine, du sprichst nicht von Tagen, sondern von Wochen, aus denen inzwischen Monate geworden sind. Ist dir bewusst, wie viel Zeit er mit dir verbringt?«
    »Was wollen Sie mir da sagen, Mama Can?«
    »Ich bitte dich nur, vorsichtig mit ihm umzugehen. Weißt du, Liebe auf den ersten Blick, so was gibt es nur in Romanen. Im wahren Leben entwickeln sich Gefühle ebenso langsam, wie ein Haus entsteht, indem man Stein auf Stein legt. Glaub bloß nicht, dass ich vor Liebe vergangen wäre, als ich meinen Koch-Ehemann zum ersten Mal gesehen habe! Aber nach vierzig Jahren des gemeinsamen Lebens liebe ich diesen Mann aufrichtig. Ich habe gelernt, seine Vorzüge zu schätzen und seine Fehler zu akzeptieren, und wenn ich mich mit ihm streite, wie gestern Abend, dann ziehe ich mich zurück und denke nach.«
    »Und worüber denken Sie nach?«, fragte Alice belustigt.
    »Ich stelle mir eine Waage vor: Auf die eine Schale lege ich das, was mir an ihm gefällt, auf die andere das, was mir auf die Nerven geht. Und wenn ich mir die Waage dann ansehe, stelle ich fest, dass sie sich leicht zur guten Seite neigt. Und zwar, weil ich das Glück habe, mit einem Mann zu leben, auf den ich mich verlassen kann. Und Can ist viel intelligenter als sein Onkel, und im Gegensatz zu ihm sieht er recht gut aus.«
    »Mama Can, ich habe Ihren Neffen nie verführen wollen.«
    »Das weiß ich, aber ich spreche ja auch von ihm. Weißt du, er würde ganz Istanbul für dich umgraben, hast du das denn nicht bemerkt?«
    »Tut mir leid, Mama Can, ich hätte nicht gedacht, dass …«
    »Das weiß ich auch, du arbeitest so viel, dass dir keine Minute Zeit zum Nachdenken bleibt. Was glaubst du, warum ich dir verboten habe, sonntags zu kommen? Damit dein Kopf sich einen Tag in der Woche ausruhen kann und dein Herz einen Grund findet zu schlagen. Aber ich sehe sehr wohl, dass Can dir nicht gefällt, und darum solltest du ihn in Ruhe lassen. Jetzt kennst du ja den Weg zu deinem Parfümeur in Cihangir. Das Wetter ist wieder schön, du kannst allein gehen.«
    »Ich spreche morgen mit ihm darüber.«
    »Das brauchst du gar nicht, sag ihm einfach, dass du seine Dienste nicht mehr benötigst. Wenn er wirklich der beste Führer der Stadt ist, wird er schnell neue Kunden finden.«
    Alice sah Mama Can in die Augen. »Wollen Sie, dass ich aufhöre, hier zu arbeiten?«
    »Das habe ich nicht gesagt, was stellst du dir denn da vor? Ich mag dich – wie auch die Gäste – sehr, und ich freue mich, dich jeden Abend zu sehen. Wenn du nicht mehr kämst, würdest du mir, glaube ich, fehlen. Behalt deine Arbeit und dein Zimmer, wo du so gut schläfst und der Blick so schön ist, nutz deine Tage in Cihangir, dann wird alles gut.«
    »Ich verstehe, Mama Can, ich werde darüber nachdenken.« Alice nahm ihre Schürze ab, faltete sie zusammen und legte sie auf den Tisch. »Warum haben Sie sich gestern mit Ihrem Mann gestritten?«, fragte sie, als sie zur Tür ging.
    »Weil ich bin wie du, Liebes, ich habe einen starken Charakter und stelle mir zu viele Fragen. Bis morgen! Geh jetzt, ich sperr hinter dir ab.«
    Can erwartete Alice auf einer Bank. Als sie vorbeikam, erhob er sich und sprach sie an, woraufhin sie zusammenfuhr.
    »Ich habe Sie nicht kommen hören.«
    »Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken. Was machen Sie denn für ein Gesicht? Hat sich die Stimmung im Restaurant nicht verbessert?«
    »Doch, alles ist wieder in Ordnung.«
    »Mit Mama Can dauern die Gewitter nie allzu lange an. Kommen Sie, ich begleite Sie.«
    »Ich muss mit Ihnen reden, Can.«
    »Ich auch mit Ihnen, gehen wir. Ich habe Neuigkeiten für Sie, die ich Ihnen lieber unterwegs erzähle. Der Grund, warum der alte Lehrer Miss Yilmaz nicht mehr auf dem Markt trifft, ist, dass sie nicht mehr in Istanbul wohnt. Sie verbringt ihr Lebensende in ihrer Geburtsstadt Izmit, und ich habe auch ihre Adresse.«
    »Ist das weit von hier? Wann können wir hinfahren?«
    »Ungefähr hundert Kilometer, also eine Stunde mit dem Zug. Man gelangt auch übers Meer dorthin, aber ich habe noch nichts organisiert.«
    »Worauf warten Sie?«
    »Ich wollte erst sicher sein, dass Sie sie wirklich treffen wollen.«
    »Natürlich, warum zweifeln Sie daran?«
    »Ich weiß nicht, vielleicht hat meine Tante ja recht, wenn sie sagt, dass es nicht gut ist, die Vergangenheit wieder auszugraben. Wozu auch, wenn Sie heute glücklich sind? Vielleicht sollte man nach vorn blicken und an die Zukunft denken.«
    »Ich habe meine

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