Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)
Sache.«
»Wie ich gesagt habe, Sie sind von unglaublicher Bösgläubigkeit.«
»Und Sie sind ebenso ein Dickkopf wie meine Tante.«
»Also gut, Can, ich habe für heute Abend genug von Streitereien und im Übrigen auch für den ganzen Monat.«
»Dann lassen Sie uns einen Tee trinken gehen und Frieden schließen.«
Er führte Alice zu einer kleinen Bar, deren noch sehr belebte Terrasse am Ende einer Sackgasse lag.
Can bestellte zwei Raki. Alice hätte lieber den versprochenen Tee gehabt, doch Can hörte nicht auf sie.
»Mister Daldry hatte keine Angst zu trinken.«
»Finden Sie es denn mutig, sich zu besaufen?«
»Das weiß ich nicht, ich habe mir die Frage nie gestellt.«
»Das sollten Sie aber, Trunkenheit ist ein dummes Sich-Gehen-Lassen. Nachdem wir, um Ihnen Freude zu machen, mit Raki angestoßen haben, werden Sie mir jetzt erzählen, inwiefern mich der Streit betrifft, den Sie mit Ihrer Tante hatten.«
Can zögerte, doch Alices Beharrlichkeit ließ ihm keine Chance.
»Es ist wegen all der Leute, mit denen ich Sie zusammengebracht habe. Der Konsul, Mister Zemirli, der Lehrer – selbst wenn ich meiner Tante geschworen habe, dass ich damit nichts zu tun habe und dass wir zufällig an seinem Haus vorbeigekommen sind.«
»Was wirft sie Ihnen daran vor?«
»Mich in Dinge einzumischen, die mich nichts angehen.«
»Und warum missfällt ihr das?«
»Sie sagt, wenn man sich zu viel um das Leben der anderen kümmert, bringt man ihnen, selbst wenn man es gut meint, Unglück.«
»Nun, ich werde Mama Can gleich morgen beruhigen und ihr sagen, dass Sie mir nur Glück gebracht haben.«
»Das können Sie meiner Tante nicht sagen, denn dann wüsste sie gleich, dass ich es Ihnen erzählt habe, und wäre noch wütender auf mich. Außerdem stimmt das nicht ganz. Hätte ich Ihnen Mister Zemirli nicht vorgestellt, hätte Sie sein Tod nicht so traurig gemacht, und hätte ich Sie nicht in die kleine Straße geführt, wären Sie gegenüber dem alten Lehrer nicht so hilflos gewesen. So hatte ich Sie vorher noch nie gesehen.«
»Sie müssen sich ein für alle Mal entscheiden, entweder ist es Ihr Geschick als Führer, das uns zu dieser Schule geführt hat, oder der Zufall, und dann haben Sie nichts damit zu tun.«
»Sagen wir, es ist etwas von beidem. Der Zufall hat die Villa abbrennen lassen, und ich habe Sie in diese Straße geführt. Der Zufall und ich haben bei dieser Sache zusammengearbeitet.«
Alice schob ihr leeres Glas beiseite, das Can sofort wieder füllte.
»Das erinnert mich an schöne Abende mit Mister Daldry.«
»Könnten Sie Daldry für fünf Minuten vergessen?«
»Nein, ich glaube nicht«, erwiderte Can, nach reiflicher Überlegung.
»Wie kam es zu diesem Streit?«
»In der Küche.«
»Ich habe nicht gefragt wo, sondern wie.«
»Ah, das darf ich nicht sagen, ich musste es Mama Can versprechen.«
»Nun, ich entbinde Sie von diesem Versprechen. Eine Frau kann das Versprechen aufheben, dass ein Mann einer anderen Frau gegeben hat – unter der Bedingung, dass sich beide sehr gut verstehen und dass keiner von beiden daraus ein Nachteil entsteht. Wussten Sie das nicht?«
»Haben Sie das gerade erfunden?«
»In diesem Augenblick.«
»Das dachte ich mir.«
»Can, sagen Sie mir, wie Sie dazu gekommen sind, über mich zu sprechen.«
»Was geht Sie das an?«
»Versetzen Sie sich in meine Lage. Stellen Sie sich vor, Sie hätten Daldry und mich dabei überrascht, wie wir uns über Sie gestritten hätten. Hätten Sie dann nicht wissen wollen, warum?«
»Das wäre nicht nötig gewesen, nein. Ich nehme an, es wäre gewesen, weil Mister Daldry mich wieder kritisiert, Sie mich verteidigt hätten und er Ihnen das vorgeworfen hätte. Sehen Sie, es ist gar nicht so schwer.«
»Sie machen mich verrückt!«
»Und mich macht meine Tante verrückt, und zwar Ihretwegen. Also steht es eins zu eins.«
»Also gut, machen wir einen Deal: Ich sage Daldry in meinem nächsten Brief nichts zu den Überweisungen, und Sie gestehen mir, wie dieser Streit begonnen hat.«
»Das ist Erpressung, Sie zwingen mich, Mama Can zu verraten.«
»Und ich verrate meine Unabhängigkeit, wenn ich Daldry nichts sage. Sehen Sie, es steht immer noch gleich.«
Can sah Alice an und füllte ihr Glas erneut.
»Trinken Sie zuerst«, sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Alice leerte ihr Glas in einem Zug und stellte es geräuschvoll auf den Tisch.
»Ich höre!«
»Ich glaube, ich habe Miss Yilmaz gefunden«, erklärte Can. Und
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