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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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wenigen Schritten machte sie kehrt, zögerte, bevor sie erneut die zunächst eingeschlagene Richtung nahm. Wenige Minuten später öffnete sie die Tür eines Geschäfts mit dem Schild »Sleeping-Car Cook«.
    Gleich im Eingangsbereich blieb Alice vor einem Ständer mit Faltprospekten stehen. Frankreich, Spanien, Schweiz, Italien, Ägypten, Griechenland, alles Ziele, die sie zum Träumen brachten. Der Geschäftsführer trat hinter seinem Tresen hervor, um sie zu begrüßen.
    »Sie planen eine Reise, Miss?«, fragte er.
    »Nein, eigentlich nicht«, erwiderte Alice. »Ich schaue mich nur aus reiner Neugier um.«
    »Wenn es um eine Hochzeitsreise geht, empfehle ich Ihnen Venedig, die Stadt ist im Frühling einfach zauberhaft. Sonst Spanien – Madrid, Sevilla. Und dann natürlich die Mittelmeerküste, immer mehr meiner Kunden kommen begeistert von dort zurück.«
    »Ich heirate aber gar nicht«, sagte Alice und lächelte ihr Gegenüber an.
    »Nichts spricht heutzutage dagegen, allein zu reisen. Jeder hat das Recht, von Zeit zu Zeit Urlaub zu machen. Ihnen als junge Frau schlage ich die Schweiz vor, den Genfer See zum Beispiel, eine friedliche und reizvolle Gegend.«
    »Hätten Sie auch etwas in der Türkei?«, fragte Alice schüchtern.
    »Istanbul ist eine sehr gute Wahl. Ich träume davon, eines Tages dorthin zu reisen. Die Hagia Sophia, der Bosporus … Warten Sie, das müsste ich irgendwo haben. Mein Gott, diese Unordnung hier.«
    Der Geschäftsführer beugte sich vor und öffnete eine Schublade nach der anderen.
    »Hier, ein ziemlich kompletter Katalog. Ich habe auch einen Stadtführer, den ich Ihnen leihen könnte, wenn Sie die Stadt interessiert. Doch Sie müssten versprechen, ihn zurückzubringen.«
    »Vielen Dank, aber ich begnüge mich vorerst mit dem Katalog«, erwiderte Alice.
    »Ich gebe Ihnen zwei«, sagte er und reichte ihr die Heftchen.
    Er begleitete sie zur Tür und lud sie ein, jederzeit vorbeizuschauen. Alice verabschiedete sich und eilte zurück zur Straßenbahnhaltestelle.
    Feuchter Schnee fiel auf die Stadt. Ein Fenster der Trambahn war defekt, sodass eisige Luft ins Wageninnere drang. Alice zog den Katalog aus der Tasche und blätterte darin, um sich beim Anblick dieser fremden Landschaften und dem blauen Himmel gedanklich in wärmere Gefilde zu versetzen.
    Vor ihrer Haustür angelangt, tastete sie in ihrer Handtasche nach dem Hausschlüssel – vergebens. In Panik kniete sie sich hin und leerte den ganzen Inhalt vor sich auf dem Boden aus. Erleichtert entdeckte sie den Bund in dem Durcheinander, packte alles rasch wieder ein und hastete die Treppe hinauf.
    Eine Stunde später kam auch Daldry nach Hause. Seine Aufmerksamkeit wurde auf eine Reisebroschüre gelenkt, die im Flur am Boden lag. Er hob sie auf und lächelte.
    Es klopfte an der Wohnungstür. Alice hob den Kopf, legte den Stift beiseite und stand auf, um zu öffnen. In der einen Hand eine Weinflasche, in der anderen zwei Gläser, stand Daldry vor ihr.
    »Erlauben Sie?«, fragte er.
    »Fühlen Sie sich wie zu Hause«, erwiderte Alice und ließ ihn eintreten. Daldry nahm im Sessel vor der Truhe Platz, stellte die Gläser darauf und schenkte großzügig ein. Er reichte Alice eines und forderte sie auf, mit ihm anzustoßen.
    »Gibt es etwas zu feiern?«, fragte sie.
    »In gewisser Weise, ja«, erwiderte er. »Ich habe soeben ein Bild für fünfzigtausend Pfund Sterling verkauft.«
    Alice riss die Augen auf und stellte ihr Glas ab.
    »Ich wusste gar nicht, dass Ihre Bilder so teuer sind«, meinte sie erstaunt. »Dürfte ich irgendwann einmal eines sehen, ehe die simple Tatsache, sie zu betrachten, meine Mittel übersteigt?«
    »Vielleicht«, erwiderte Daldry und schenkte sich nach.
    »Das Mindeste, was man sagen kann, ist, dass Ihre Sammler großzügig sind.«
    »Das ist nicht besonders schmeichelhaft für meine Arbeit, aber ich betrachte es trotzdem als Kompliment.«
    »Haben Sie wirklich ein Bild zu diesem Preis verkauft?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Daldry, »ich habe überhaupt nichts verkauft. Die fünfzigtausend Pfund, die ich erwähnte, entsprechen der Summe, die ich von meinem Vater geerbt habe. Ich komme vom Notar, der uns heute Nachmittag zu sich bestellt hatte. Ich wusste gar nicht, dass ich so viel für meinen Vater gezählt habe, ich hatte mich weniger hoch eingeschätzt.«
    Während er diesen letzten Satz aussprach, lag eine gewisse Traurigkeit in seinem Blick.
    »Was absurd ist«, fuhr er fort, »ist die Tatsache, dass ich

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