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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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Moment. »Außer wenn es absolut notwendig ist.«
    Außer sie versuchen, uns umzubringen , übersetzte ich im Stillen.
    »Und was machen wir, wenn wir drin sind?«
    »Wir gehen in Richtung Friedhofsmitte. Wir suchen einen Ort, wo das Licht von der Straße nicht hinkommt. Dort werde ich versuchen, sie anzurufen … und sie dazu zu bringen, uns zu gehorchen.«
    Ich dachte an das Wenige, das ich über diese Geschöpfe wusste, und an die Warnungen des Conte.
    »Wie willst du das machen? Wie soll so was überhaupt gehen?«
    Ivan wandte den Blick ab. »Weißt du, was eine Defixion ist?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Es ist eine Fluchtafel. Eine Beschwörung der Götter der Unterwelt. Schwarze Magie der alten Römer.«
    Er schwieg.
    »Und?«
    »In der Antike wurden die Defixionen auf Bleilamellen geschrieben. Man hat sie gefaltet oder zusammengerollt und einen Nagel durchgestochen, um sie zu versiegeln. Dann warf man sie dorthin, wo die Geister der Nacht sie bemerken würden. Zum Beispiel in Höhlen, Brunnen oder Friedhöfe.«
    »Und zu welchem Zweck hat man das getan?«
    »Um jemandem Schaden zuzufügen. Wenn der Zauber korrekt formuliert war, war die angerufene Gottheit gezwungen, zu gehorchen.«
    »Und das hat funktioniert?«
    Ivan nickte. »Wenn der Zauber korrekt war.«
    Ein Schadenszauber, der die Dämonen band. Der sie sogar zwang, auf Befehl zu morden. Und Ivan hatte vor, ihn für mich anzuwenden.
    Und wenn es schiefging? …
    Ich bemühte mich, meine Stimme wiederzufinden. »Du hast was von … einem Schutz gesagt.«
    Er kramte in seinen Jackentaschen herum und zog eine Taschenlampe und einen kleinen Gegenstand hervor, den ich im Halbdunkel nicht richtig erkennen konnte.
    »Schalte sie nicht an, zumindest bis die Strigen kommen«, sagte er, indem er mir die Lampe überließ. »Sie vertragen das Licht nicht.«
    Mir geisterten allerlei Filmszenen durch den Kopf. »Muss ich sie dann auf sie richten?«
    »Ja, wenn es nicht gut läuft. Aber es wird nicht viel nutzen: Das Licht schadet ihnen nicht wirklich, es ist ihnen nur lästig. Könnte sein, dass wir sie damit noch wütender machen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber andererseits wäre es reiner Wahnsinn, den Strigen zu begegnen, ohne eine Lichtquelle bei sich zu tragen.«
    Ich dachte an die Glühbirne, die auf meinem Schreibtisch explodiert war, und nickte.
    Er reichte mir den zweiten Gegenstand. »Das steck dir in die Tasche. Wo sie es nicht sehen können. Ich habe auch eins.«
    Ich betastete es: Es war ein Säckchen aus braunem Stoff, kleiner als meine Handfläche und mit einer Schnur verschlossen. Es enthielt irgendwelche Krümel: Ich spürte, wie es zwischen meinen Fingern knirschte.
    »Was ist da drin?«
    »Verschiedene Dinge. Die Grundkomponenten eines Amuletts gegen die Geister der Finsternis: Salz, Johanniskraut, Eisenkraut, ein Eibenzweig, Rabenknochen. Ich wollte auch Vogelbeeren dazutun, aber es ist jetzt nicht die Jahreszeit dafür.«
    Die Liste sagte mir so gut wie nichts. »Und das wird sie in Schach halten?«
    »Es sind alles Symbole aus alten Zeiten: Einstmals waren sie mächtig. Und die Strigen haben ein langes Gedächtnis.«
    Ich suchte seine Augen, und diesmal erwiderte er meinen Blick. »Sei ehrlich: Wie viel Sinn hat das, was wir da gerade tun?«
    Zum ersten Mal heute schenkte Ivan mir ein Lächeln. »Wenig. Wirklich wenig.«
    »Super!«
    Er seufzte. »Bist du bereit?«
    Ich verspürte den Impuls, seine Hand zu ergreifen. Und ihm um den Hals zu fallen. Und noch viel mehr.
    Stattdessen beschränkte ich mich auf ein: »Ja, gehen wir.«
    Wir überquerten den Platz und steuerten auf eine Ecke zu, in der das Geländer an die Steinmauer anschloss, die direkt zu den Arkaden führte. Wir warteten ein paar Sekunden, um sicher zu sein, dass die Luft rein war, dann hielt Ivan mir die Hände als Steigbügel hin. Nicht ohne Mühe hievte ich mich über das Geländer, wobei ich mich an der Mauer festhielt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
    »Schaffst du es, auf die Mauer zu kommen?«, fragte Ivan von unten.
    Ich hob vorsichtig eine Hand, tastete ein wenig herum, fand sogar noch die Zeit, meine eins achtundfünfzig zu verfluchen, und zog mich endlich, wenn auch wenig elegant, mit der Kraft meiner Arme auf den Mauerabsatz. Dort rutschte ich etwas zur Seite, um für Ivan Platz zu machen. Er kletterte ohne Hilfe und mit einer Leichtigkeit auf das Geländer und von dort auf die Mauer, dass ich hin und her gerissen war zwischen Neid und Bewunderung. Dann

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