Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)

Wald, der noch dazu ein gutes Stück kleiner als etwa der lemurische Nordforst war. Nun aber, da sie ihre Wanderung wieder aufgenommen hatten, fühlten sie sogleich wieder die uralte Lebendigkeit, Wachsamkeit und Intelligenz, die an diesem Ort herrschte und sich ihnen als unheilvolle, beinahe greifbare Präsenz offenbarte. Die Zuversicht, die ihnen die erholsame Nacht und das ausgedehnte Frühstück vermittelt hatten, verblasste binnen kurzer Zeit. Keiner der Gefährten dachte daran zu verzagen, doch fragten sich einige von ihnen mit zunehmend verstreichender Zeit immer wieder, weshalb ihnen solch übles Geschick beschieden war.
    In dem Teil des Waldes, in welchem sie nun wanderten, schienen die Bäume noch dicker, höher und dunkler zu sein. Überdies war die Luft noch ungleich stickiger und drückender als zuvor, obwohl der Pfad vorerst breit und gerade verlief. Je tiefer sie in das Heer der mächtigen Tannen und Föhren vorstießen, desto mehr nahm die Schwüle zu, und bald meinten sie gar, neblige Schwaden vor sich zu sehen und die bleierne, unbewegte Schwere der Luft wie eine schwere Last auf ihren Schultern zu spüren. Es war, als ob die Bäume einen ungenießbaren Atem verströmten, der sich in den Räumen zwischen den dicht ineinander verzahnten Kronen zu einem milchigen, das Atmen erschwerenden Dunst sammelte.
    Längst hatte auch Braccas eingestanden, dass sie sich hoffnungslos verirrt hatten und nicht die leiseste Ahnung besaßen, in welche Richtung sie sich bewegten. Obgleich die Abenddämmerung noch fern sein musste, sahen sie bald immer weniger vor ihren Augen. Selbst die mit Dunkelheit vertrauten Sinne des Zwerges, der neben Arnhelm die Vorhut übernommen hatte, erkannten kaum mehr als die jeweils nächsten Schritte des Weges, der vor ihnen lag.
    Als nächstes wurden ihre Pferde immer unruhiger. Einige von ihnen begannen, sich regelmäßig nach unsichtbaren Gefahren umzuwenden und laut schnaubend und mit scharrendenHufen stehenzubleiben. Mühevoll mussten sie jedes Mal zum Weitergehen gebracht werden. Hätte Windspiel nicht eine beruhigende Wirkung auf seine Artgenossen ausgeübt, wäre es den Menschen wohl kaum noch möglich gewesen, diese zu beherrschen.
    Nach einiger Zeit erschien ein schmaler Bach zu ihrer Rechten, und alle waren froh über jene Abwechslung und versuchten es als gutes Omen zu werten. Das Gewässer war nicht viel mehr als ein flaches Rinnsal und sickerte lautlos durch ein lehmiges, krautiges Bett. Auf jeden Fall genügte es, um die Pferde mit frischem Wasser zu tränken und sie dadurch ein wenig von der unseligen Umgebung abzulenken.
    „Wenn es uns gelingt, dem Bach zu folgen, sollte er uns ins Freie oder wenigstens an ein größeres Gewässer, wie einen See, führen. Das sollte uns Hoffnung geben“, sagte Arnhelm. Obwohl er sehr wohl wusste, dass die von ihm genannten Aussichten ebenso gut enttäuscht werden konnten, verströmte er eine solch große Entschlossenheit, dass seine Begleiter neuen Mut schöpften.
    Den ganzen Tag über liefen die Gefährten weiter, ohne sich die geringste Rast zu gönnen. Obwohl der Bach dabei stets an ihrer Seite blieb, schien der Weg sie doch nirgendwo sonst hinzuführen als immer tiefer in das Herz des verworrenen Waldes hinein.
    Die im Zwielicht tanzenden, nebligen Schleier, die ihren Augen die Sicht verhüllten, hatten sich zwischenzeitlich ein wenig gelichtet, doch wurden sie am Nachmittag wieder dichter. Wie schwere Vorhänge hingen sie zwischen den Ästen gaben den Wanderern das Gefühl, sich inmitten riesiger Spinnweben zu bewegen, die nur darauf warteten, dass ihre hilflose Beute die Kraft verließ.
    Derweil nahm die Hitze so sehr zu, dass sie sich bald wie in einem Glutofen fühlten, über den zusätzlich eine luftdichte Haube gestülpt wurde. Weiterhin wurden die Versuche, sich zu unterhalten, bald immer zweckloser, denn ihre Stimmen wurden von der stickigen Umgebung geradezu aufgesogen. Wenn sie sprachen, vernahmen die Menschen und der Zwerg ihre eigenen Worte nicht einmal mehr als deren schwachen Widerhall, sodass es ihnen erschien, als sprächen sie in Gedanken zu sich selbst und klappten ihre Münder nur aus Gewohnheit auf und zu. Irgendwann begannen die Menschen und der Zwerg zu meinen, ein leises Gesäusel, ein Wispern zwischen den Ästen und Zweigen zu hören. Zweifelsohne handelte es sich dabei nicht um den Wind, vielmehr erinnerten die Laute an Hohngelächter, das verzerrt, unwirklich und fremdartig klang, so als rühre es