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Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)

Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)

Titel: Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger de Grandpair
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bereits von dem Wesen erwartet, das noch kurze Zeit zuvor in einer schmutzigen Zimmerecke gekauert und so kraftlos und untröstlich gewirkt hatte. Nun stand das Einhorn aufrecht und gerade da, wie eine weiße, wohl geformte Wolke, die lebendig geworden war, und sog frischen Wind durch seine sanft erbebenden Nüstern. Es war unübersehbar, dass es seine wiedererlangte Freiheit unsagbar genoss, ebenso wie seine Kräfte unter dem freien Himmel mit jedem Atemzug zu wachsen und in seinen Leib zurückzukehren schienen. Das einzige, was seine strahlend anmutige Erscheinung störte, war die rostige Eisenkette, die mit einem dicken, verbogenen Draht noch immer um seinen schlanken Hals geknotet war. Das letzte Ringglied lag auf dem Boden und war sichtlich verformt, denn dies war die Stelle, die zuvor an der Zimmerwand verankert war und die das Tier in einem Anflug ungeahnter Stärke herausgerissen hatte.
    „Es tut so gut, wieder den Hauch des Abendhimmels zu spüren“, sprach das Geschöpf mit einer jedes Gemüt befriedenden, glasklaren Stimme, „denn es ist bereits lange her, dass ich in eine Falle geriet und Radament mich fing und hierher verschleppte.“ Seine Lippen zeigten ein Lächeln, das eine ansteckende Fröhlichkeit vermittelte, und in seinen warmen Augen meinte man wahrlich, geöffnete Tore zu einer vollends friedseligen Welt zu erschauen, in der alle Lebewesengleichermaßen willkommen waren und sich niemals ein gegenseitiges Leid taten. „Zu oft musste ich mit ansehen, wie er ahnungslosen Gästen und Besuchern Böses zufügte, nur um später ihren Besitz in Gold und Silber zu erlösen. Auch für mich hoffte er wohl, in absehbarer Zeit einen guten Preis zu erzielen, wenn er mich nicht zuvor als gekochten oder gebratenen Leckerbissen verwendet hätte. Vielleicht kann man sagen, dass Arthilien ohne ihn ein besserer Platz ist. Aber nichtsdestotrotz trägt mein Herz nun eine schwere Bürde, denn es war seit meiner Geburt vor so unermesslich vielen Jahren das erste Mal, dass ich ein Leben nahm.“
    „Du tatest es, um das unsere zu retten, teurer Freund“, sagte Arnhelm. „Und wenn es sich so verhält, wie du sagst, dann begingst du eine Tat, die nicht nur bemerkenswerten Mut, sondern zugleich eine große Überwindung erforderte und somit doppelte Anerkennung verdient. Aber nun lass uns dich von dem Rest deiner Fesseln befreien“, sagte er und nickte Dwari zu.
    Der Zwerg, der von allen Anwesenden über die stärksten Hände und Finger verfügte, näherte sich dem zerbrechlich wirkenden Tier zunächst ein wenig zögerlich. Dann aber ergriff er die eiserne Halskrause und bog sie mit einer einzigen Kraftanstrengung auseinander. Die Kette fiel daraufhin und landete klirrend im Gras.
    „Das Joch ist nun endgültig von dir abgefallen“, fuhr der Sohn Imalras fort.
    „Es ist eigenartig“, sagte das Einhorn, „und erfüllt mich zugleich mit großer Freude, nach der Pein, die mir ein vom rechten Weg abgekommener Zwerg antat, ausgerechnet von einem anderen seiner Art von meinen Ketten befreit zu werden.“
    „Radament war ein schwarzes Schaf, wie es sie in jedem Volk gibt“, erwiderte Dwari. „Wir haben ihn schon vor langem aus unserer Gemeinschaft ausgeschlossen.“
    „Daran zweifle ich nicht, denn ich erinnere mich an eine lange und innige Freundschaft, die meine Art mit der Euren verband“, sagte das schneeweiße Wesen, zu Dwari gewandt. „Doch nun ist es wohl Zeit uns zu trennen, denn mir scheint, dass Eure Geschäfte keinen Aufschub erlauben, während es mich danach drängt, meine Freunde und Verwandten wiederzusehen, die mich sicher längst für verstorben halten.“
    Ehe es weitersprach, nickte es in Richtung des östlichen, aus zahllosen Föhren bestehenden Hains. „Wenn Ihr mögt, könnt Ihr Euren getöteten Freund hier in diesen Wäldern bestatten. Neben mir leben einige weitere meines Volkes hier im Verborgenen Land und werden über seine Ruhestätte wachen, so wie wir seit Jahrtausenden schon für das Wohlergehen dieses Tales verantwortlich sind.“
    Die Angehörigen der Gemeinschaft verbeugten sich einheitlich als Zeichen ihrer Dankbarkeit. Dabei schwiegen sie, da sie nicht wussten, wie sie jenen mit holder Stimme geflochtenen Worten ebenbürtig begegnen sollten. Angesichts dieses Wohlklangs in ihren Ohren hätten sie ihre eigenen Stimmen zweifellos als Missklänge empfunden.
    Mit einigen grazilen Bewegungen sprang das Einhorn anschließend die Böschung hinab, wandte sich nach rechts und gelangte

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