Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
wird!“
Von der Vehemenz jener Worte erschreckt, verschwand das selbstgefällige Lächeln von den Lippen des Zwerges, und furchtsam wich er einen Schritt zurück. Dann aber besann er sich und kehrte an den Abgrund zurück, sodass die in die Falle Geratenen ihren Peiniger wieder sehen konnten.
„Oh, junger Fürst, dieses Versprechen haben mir schon so viele gegeben, doch enttäuscht man mich zu meinem werten Bedauern immer wieder! Und wenn Ihr auf Eure beiden jungen Freunde da draußen hofft, dann seid versichert, dass ich auch für sie längst eine Überraschung ersonnen habe“, sagte Radament und lachte niederträchtig vor sich hin. Ein leises Hüsteln und Flüstern folgte daraufhin, sodass es schien, als ob er eine Art von Selbstgespräch führe. „Bestimmt werde ich für die Pferde einen guten Preis erzielen, und auch für Euer Gepäck werde ich sicher eine Verwendung finden. Ihr aber dürft Euch noch einige Tage vergnügen, ehe Euch Hunger und Durst in der Dunkelheit dahinraffen werden. Und solltet Ihr zuvor von Wahnsinn befallen werden und Euer Los nicht mehr ertragen wollen, so sterbt wie Männer durch die goldene Waffe, deren Erinnerung immerhin Ihr mit auf die andere Seite nehmen dürft! Ich werde das Schwert bald genug wieder an mich nehmen.
Ich lasse Euch nun allein, und seid mir nicht böse, dass ich meinen Fußboden gleich wieder herrichten werde, denn ein Loch darin schmückt mein Heim nicht gerade und ist außerdem allzu gefährlich, wenn man nicht aufpasst, wo man mit seinen Füßen hintritt!“
Radament lacht erneut und nunmehr ungezwungener und lautstärker. Eine schlimme Mutlosigkeit erfasste die Angehörigen der Gemeinschaft beim Klang dieses hässlichen Lachens, denn neben der Aussicht auf eine ausweglose Gefangenschaft in jenem Verlies plagte sie vor allem der Gedanke daran, dass der Verräter bald auch die noch ahnungslosen Ulven und Marcius töten wollte.
Plötzlich jedoch wurden sie schlagartig aus ihren verbitterten Gedanken gerissen.
Sie hörten den Zwerg über sich ein zutiefst verblüfftes „Was ist ...?“ ausstoßen, woraufhin im nächsten Augenblick ein lautes, scheußliches Aufstöhnen erfolgte. Anschließend segelte er mit gewaltiger Wucht über den Saum der Öffnung zu ihnen in die Tiefe hinab.
Alle sprangen zur Seite und sahen, wie Radament auf dem Rücken aufschlug und mit weit aufgerissenen Augen reglos liegen blieb. Seine Lippen versuchten noch einmal, einige Laute zu formen, und seine linke Hand erhob sich und ballte sich ein letztes Mal zusammen, ehe sie kraftlos herunter fiel und so schlaff wie der übrige Körper liegen blieb. Über die Ursache seines Todes konnten indessen keine Zweifel bestehen, denn, unabhängig von den Folgen des Sturzes, klaffte eine große, runde Wunde in seiner Brust. Aus ihr quollen Blut und Innereien in beachtlichen Mengen, was zeigte, dass sie tief und verheerend war.
„Der Mordbube hat nichts anderes verdient!“, sagte Dwari und empfand, wie auch seine Begleiter, keinerlei Mitleid mit dem Gestürzten.
Die Gefährten blickten nun gespannt nach oben und erkannten vor dem dunklen Hintergrund des wenig beleuchteten Raumes einen länglichen, formschönen Kopf, der mit einem reinweißen Fell besetzt war. Das Einhorn schien ihnen zuzulächeln, wenn auch die Schwermut noch nicht ganz von ihm genommen war.
„Er trägt die Schlüssel für die Tür immer bei sich, durch sie könnt Ihr ins Freie gelangen“, sprach das Geschöpf mit einem Male, und das frohe Verwundern der noch immer Gefangenen war noch niemals so groß gewesen. „Ich werde vor dem Haus auf Euch warten“, fügte ihr Retter hinzu und entschwand aus ihrer Sicht.
Wortlos waren sich alle einig darüber, dass die Stimme jenes Tieres so reichhaltig an Schönheit und Reinheit war, dass sie darin selbst frisches Quellwasser oder die ersten Sonnenstrahlen eines anbrechenden Frühlingsmorgens übertraf. Einzig die Engel Aldus mochten unter der Sonne Mundas gleichermaßen zu solch anmutigen Lauten fähig sein.
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* elbisch, in der Gemeinsamen Sprache: „Wasserfall der leuchtenden Farben“
* in der Gemeinsamen Sprache: elbisch arth – „Land, Erde“, elbisch cafan – „verborgen, versteckt“
Fünftes Kapitel: Aidans Tod
Das Türschloss sah reichlich alt aus und war wahrscheinlich bereits seit langen Zeiten verrostet. Als sich der Schlüssel in ihm drehte, knackte es geräuschvoll, sodass für einige Momente fraglich erschien, ob der Mechanismus
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