Die Zwei Schwerter, Band 2: Die Rückkehr der Elben (German Edition)
erkannten diejenigen, die von der Brüstung der Tôl Womin aus herunter sahen, dass die Streitmacht der Feinde Aufstellung genommen hatte. Mehrere Tausend Orks standen in einer langen Reihe gerade soweit von dem Befestigungswall entfernt, dass sie nicht durch gezielte Pfeile getroffen werden konnten. Ihre starken, grünhäutigen Körper steckten in beweglichen, nicht allzu dicken Harnischen, von denen viele so einheitlich schwarz waren, dass sie wie Uniformen wirkten. Ihre zahllosen, scharf gewetzten Waffen glänzten in der aufgehenden Sonne wie ein stählerner Fluss. Etwa in der Mitte der breit auseinandergefächerten Krieger reckte ein Ork, der auf einem Pferd saß, das Banner mit den Balken und dem Mond in die Lüfte, schwarz auf grünem Grund.
Die Menschen rieben sich die Augen und schüttelten sich, wie um die Müdigkeit und Lähmung, welche die durchwachte Nacht über sie gebracht hatte, aus ihren Leibern zu vertreiben. Während sie die vergangenen Stunden angespannt dem erwarteten Beginn der Auseinandersetzung geharrt hatten, schien es so, dass ihre Widersacher stattdessen geruht hatten und sich nunmehr in bester Verfassung befanden.
Befehle wurden auf der Mauerkrone gerufen und zerrissen die Stille. Die Soldaten drängten sich um die Schießscharten, und viele von ihnen spannten bereits einen Pfeil in ihre Bogen. Die Feuer, welche die Gefäße mit Öl schürten, wurden noch stärker angefacht, und die Riegel, die das große Doppeltor sicherten, wurden noch einmal auf ihre richtige Anbringung hin überprüft.
Die Lemurier waren bereit, die Verteidigung ihres Landes auf sich zu nehmen.
Das Schmettern mehrerer Trompeten grüßte den Sonnenaufgang. Der blecherne Hall der Instrumente kam aus den hinteren Reihen der Orks und erfüllte seinen Zweck, einige unter den Menschen aufschrecken zu lassen. Sofort darauf erschallte ein erschütternder Gleichklang, der so schien, als würde eine riesige Zahl von Schmieden auf glühende Eisen hämmern. Tatsächlich waren es die Streiter aus Orgard, die mit ihren Waffen im Takt auf ihre metallenen Schilde hieben.
Dann kam endlich Bewegung in die Horde, denn ein großer Teil von ihnen scharte sich nunmehr eng zusammen. Ungewöhnlich große Schilde und hölzerne Konstruktionen, die aus zusammengezimmerten Balken und Brettern bestanden, wurden geschwenkt und in solche Positionen gebracht, dass der Heerestross ringsum von einem stabilen Schutz ummantelt wurde. Die einzig offene Seite blieb die hintere, die nach Süden blickte und Wald und Wiesen zugewandt war.
Auf das Kommando eines Orks hin setzte sich die durch den Schildpanzer geschützte Formation in Marsch. Es handelte sich hierbei etwa um die Hälfte der anwesenden orkischen Krieger, denn sicherlich viertausend weitere ihrer Art blieben vorerst zurück.
Die Stunde des Angriffs auf Lemuria hatte unweigerlich begonnen. Wie eine lebendige Wand näherte sich das riesige Gebilde aus bewehrten Orks dem Südtor der Tôl Womin. Die Regimenter Bogenschützen der Verteidiger standen indessen auf ihren vorbestimmten Posten und blickten still und konzentriert auf die feindliche Bedrohung hinab. Die Mattheit war mittlerweilevon ihnen abgefallen, und keiner konnte den Augenblick des Handelns mehr erwarten. Gleichwohl harrten sie geduldig den Anweisungen ihrer Offiziere, insbesondere auf das gewichtige Wort des Oberkommandierenden.
Beregil stand einige Dutzend Fuß westlich des Tores auf dem Wall und zermarterte sich den Kopf über das Vorhaben der Orks. Die schweren Planken, welche sie trugen, waren keine üblichen Schilde, sondern während des gestrigen Tages und der Nacht offenkundig aus den Bäumen des nahen Waldes geschlagen worden. Das Holz war dick und stark und würde selbst durch Brandpfeile – von denen man im Übrigen bislang keine vorbereitet hatte – schwer zu verzehren sein. Dennoch blieb der Sinn des Unterfangens der Angreifer ein Rätsel, denn selbst wenn diese bis dicht an die Befestigung herangelangen sollten, blieb doch unklar, wie sie sich Einlass verschaffen wollten. Leitern und Türme waren weit und breit nicht zu erblicken, und es war unwahrscheinlich, dass die schwerfälligen Orks Seile mit Enterhaken über die Mauerkrone schleudern und daran wie Wiesel emporklettern mochten. Auch waren die Steine, welche die Vorderseite der Großen Mauer bildeten, so glatt und geschickt aufeinandergesetzt, dass kaum ein Fuß daran Halt finden konnte.
Somit blieb allein die Vermutung bestehen, dass sich innerhalb der
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