Die Zwei Schwerter, Band 2: Die Rückkehr der Elben (German Edition)
etwas Unredliches oder Abstoßendes in seinem Antlitz zu finden, auf dass sich der Zwist in ihr klärte und ihr die Rechtfertigung gegeben wurde, die sie benötigte, um ihn zurechtzuweisen und ihn mit Entschlossenheit hinfort zu schicken. Doch da war nichts dergleichen. Furior, jener einstmals glanzvollste Stern am Himmel der Lindar, fesselte sie mit seinem festen Blick und verstrahlte Wärme und Wonne, wie es niemand anders vermochte.
Vielleicht war es ein Zauber, der sie umwob, auf jeden Fall fühlte sie sich unfähig, ihm mit derjenigen Entschlossenheit und Klarheit zu begegnen, die jene Situation verlangte. Und der Elb mit dem kastanienbraunen Haar verspürte die Wirkung, welche er entfaltete auf diejenige, nach der er sich mehr denn jemals verzehrte. Er wusste, dass sie ihm und seinen Kräften nicht gewachsen war und es nur noch wenig an Überzeugungsarbeit brauchte, um sie vollends zu verstören, von ihren Vermählungsplänen abzubringen und in absehbarer Zeit möglicherweise tatsächlich gänzlich zurückzugewinnen.
Mit einem Mal wurde die vollkommene Stille, die während des Gesprächs eingesetzt hatte, zerrissen oder vielmehr überlagert und erfüllt von einer Melodie, die aus der Ferne den Weg hierher fand. Entsetzt blickte Furior nach links, wo der dort dichte Wuchs der Linden und Ebereschen von einer schmalen Bresche unterbrochen wurde. Ein schattiger Pfad führte an dieser Stelle zwischen den Bäumen hindurch leicht nach oben und nach Westen. Aus eben dieser Richtung strömte ein warmer Flötenklang herbei, ein harmonischer Klangteppich, der sich wie ein sanfter Regenguss über das hellgolden schimmernde Tal legte.
Die vertrauten Laute rissen die Tochter Thingors aus ihrer klammen Gedankentiefe. Sie erwachte wie aus einem schlimmen Traum, in welchem sie das hilflose Opfer verschwörerischer Mächte gewesen war, und betrachtete bei ihrem Gegenüber, wie dessen Selbstsicherheit verflogen war. Wut und Zweifel zeichneten sich nunmehr in den Zügen des Lindar ab, und immer wieder blickte er zu der schmalen Schneise zwischen den Bäumen hin, wie als erwarte er jeden Augenblick eine für ihn große Gefahr. Furcht stand in seinen tiefgründigen Augen und auf seiner glatten Stirn geschrieben. Nuwena konnte in diesen Augenblicken nicht anders als Mitleid für ihn zu empfinden. Wie grausam musste es sein, sich an einem Ort, der einem sehr am Herzen lag, nicht aufhalten zu dürfen, da man befürchten musste, von den Angehörigen des eigenen Volkes erkannt und gejagt zu werden? Und all dies angesichts einer Liebe, die man verloren hatte und zu der es kein Zurück mehr geben konnte.
Allerdings wusste sie auch, dass derjenige, der sich dem Platz näherte, an welchem sie sich gegenwärtig befanden, keineswegs kam, um Furior zu bestrafen oder auch nur von dessen Anwesenheit ahnte. Und es war überdies unwahrscheinlich, dass der Nahende dem Geächteten, selbst wenn er dies wollte, gefährlich zu werden in der Lage war.
„Ich bitte dich, Furior, wenn dir an mir und den gegenseitigen Gefühlen, die uns auf ewig verbinden werden, etwas liegt, geh nun!“, sagte die Elbenprinzessin so bittend und inständig, wie es ihr möglich war. „Wir hatten viele wunderbare Jahre miteinander, und niemals werde ich diese und das, was wir füreinander bedeutet habe, vergessen, doch nun ist es an der Zeit, Abschied zu nehmen. Vielleicht werden noch weit entfernte Tage uns wieder in einer Freundschaft, die nicht länger verborgen bleiben muss, zueinander führen. Doch dorthin müssen wir verschiedene Wege gehen vorerst. Besteig das Pferd, das dich liebt, so wie alle Tiere und Wesen es immer schon taten, und geh hinaus in die Flur, dorthin, wo zwischen dir und unserem Volk kein neues Unglück keimen kann. Und erinnere dich stets, dass in meinem Herzen auf ewig ein Platz mit nur deinem Namen verbleibt.“
Die sanften Worte kamen sehr überzeugend. Furior sah der feingliedrigen, in Weiß gehüllten Elbin in ihr anmutiges Gesicht und vernahm einen Anflug von Besinnung und Vernunft, die in seinem Innern nach ihm riefen. Gleichzeitig fühlte er, dass seine Augenränder befeuchtet wurden, denn der Gedanke, Nuwena nun so kurz nach dem so ersehnten Wiedersehen auf immer zu verlieren, schmerzte ihn wie die Stiche von tausend Dolchen. Unwillkürlich setzte er einen Schritt nach hinten und griff nach dem Zaumzeug seines Reittieres, das geduldig auf eine Anweisung seines Herrn wartete. Nur kurz stand er davor, sich flugs in den Sattel zu winden,
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