Die Zwei Schwerter, Band 2: Die Rückkehr der Elben (German Edition)
nächtlichen Träumen erschienen war. Ihr Antlitz war hell und glatt und wirkte beinahe kindhaft in dessen beständiger Jugend. Ihre Lieblichkeit erinnerte an das Glitzern der Sterne, die sich über den nebligen Fjorden des kühlen Nordens zu ihrer klarsten Leuchtkraft entfalteten, und ihre smaragdgrünen Augen gaben jedermann Hoffnung und Zuversicht und schimmerten wie ein ewiger Frühling. Ihr schwarzes Haar diente jenem makellos gezeichneten Gesicht als sanfter Rahmen. Doch nicht nur Nuwenas Körper verriet eine Anmut, wie sie noch bei keiner Tochter des Elbengeschlechts zuvor gesehen wurde, sondern auch ihr Wesen strahlte vor lauter Unschuld und Mitgefühl. Man konnte nicht anders, als sie zu mögen und ihr Vertrauen und Zuneigung zu schenken, und denen, die ihre Nähe suchten, zahlte sie dies mit aufrichtiger Freundschaft zurück.
„Du hast dich wenig verändert, Furior, der du der einstige Stolz der Lindar warst. Nun sag mir, was du empfindest dabei, an diesen unbefleckten Ort zurückzukehren, und ob du zufrieden bist mit dem, was du hier vorgefunden hast“, sagte die Elbin schließlich. Ihre zarte Stimme zitterte leicht und verriet eine gewisse Menge Anspannung und Unsicherheit.
„Wenn man lange getrennt ist von einer Sache, nach der man sich verzehrt, formt sich deren Antlitz immer wieder in seinem Geist. Gleichwohl können jene Abbilder nur als schwacher Behelf dienen, denn weder riechen und schmecken sie noch machen sie Geräusche oder werden angestrahlt von der Sonne, und auch vermögen sie nicht aufzuhalten, dass die Erinnerung verblasst. Die Wirklichkeit, wenn man ihr denn nach vielen Tagen wieder gegenübersteht, ist demnach ungleich gewaltiger und erfrischt Herz und Gemüt weitaus mehr, als es die kühnsten Wünsche versprachen zuvor.“
„Dann bist du zufrieden und glücklich in diesem Augenblick, und ich bin es mit dir, da ich viele Gefühle für dich hegte und niemals gänzlich von deiner Seite wich, selbst dann nicht, als sich alle anderen von dir abwandten. Du wirst immer ein Teil meiner selbst und meines Lebens sein, und ich werde ein Teil von dir sein, wenn du es magst. Dennoch weißt du, dass es fehl ist, uns hier zusammenzufinden, ebenso wie es die Gefahr neuen Leids in sich birgt, wenn du dichin Reichweite zu unserem Volk begibst, welches sogar deinen Namen ächtete und längst aus seinem Sprachgebrauch verbannte. Es sei denn, dir wird verziehen dereinst, doch dieser Tag mag noch weit entfernt sein, wie ich fürchte.“
„Ich habe nicht vor, mit meinen verlorenen Brüdern und Schwestern in Kontakt zu treten. Und ich hege erst recht nicht die Absicht, mich denen zu Füßen zu werfen, die meine Taten und Verdienste niemals zureichend würdigten und die mir nichts zu vergeben haben, denn niemals habe ich die Waffe gegen einen der ihren gehoben und nichts habe ich veranlasst, was nicht früher oder später ohnehin geschehen wäre. Allein Aldu gegenüber habe ich mich zu verantworten, und dies werde ich tun und seinen Richtspruch, den er über mich fällen mag, hinnehmen ohne jeden Versuch der Rechtfertigung.
Was aber soll zwischen uns stehen, Nuwena, der du immer der mittlerste Punkt, die Sonne meines Daseins warst? Niemals bevor unsere Verbindung entstand, bin ich für jemanden so bedingungslos in Liebe entflammt, und niemals, nachdem du mich verlassen hast und das Leben seinen Sinn für mich verlor, habe ich mich einer anderen Person mehr hingeben mögen. Wer nun sollte es wagen, uns neuerlich zu trennen, nachdem ein böses Schicksal uns bereits einmal voneinander entfernte? Und wenn nicht als mehr, so sollst du mich wenigstens annehmen als deinen Freund, als den treuesten von allen, der dir Rat gibt und deinen Rat sucht, und dem kein Weg zu weit und kein Widerstand jemals zu groß sein wird, wenn es gilt, zu dir zu eilen und deine Wünsche zu erfüllen, noch ehe sie ausgesprochen oder auch nur von deinen Augäpfeln abzulesen sind.“
Nuwena senkte den Kopf und verfiel in Schweigen. Die beiden Eichhörnchen zu ihren Füßen, die keinen einzigen Grashalm knickten, sahen sorgenvoll zu ihr hinauf, so als spürten sie ihre Nachdenklichkeit. Der milde Wind, der von Osten herbeikam, trug von jenseits des Tales die vielfältigen Düfte von Blumen und frischem Gras herbei und mischte sich an diesem Ort mit dem angenehmen Geruch von Tulpenblüten und dem Wasser des Sees. Das Szenario erschien wie ein großes, farbenfrohes Gemälde, welches in seiner Zeitlosigkeit tiefgehende Gefühle in sich
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