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Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)

Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)

Titel: Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger de Grandpair
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anderweitigen rituellen Zweck genutzt hatten oder aber ob die Symbole einer anderen Kultur entstammten, welche die Zeit überdauert hatte und von der ansonsten kein Zeugnis mehr existierte. Auf jeden Fall war die nähere Umgebung, durch die ein zügiger, wie von Kummer heulender Wind den frisch gefallenen Schnee trieb, verlassen und noch dazu angereichert von Spuren einer altertümlichen Magie und Kraft. Und dies machte den Ort für die Vorhabung des Orks letztendlich hervorragend geeignet.
    Der jahrhundertealte Zerk-Gur, dessen langer, schwarzer Haarzopf von dem Weiß des Niederschlags fein bestäubt war, zog mit seinem knöchernen Stab einen Kreis in die Erde und ließ sich anschließend in dessen Mitte nieder. Augenblicklich entflammte der rote Rubin, der die mittlerste Stelle seines Stirnreifs zierte, zu einem intensiven Erglühen, wie wenn jemand in seinem Innern einen Docht zu einem Brennen entzündet hätte. Gleichzeitig begann die Schneedeckeinnerhalb des magischen Kreises zu dampfen, einem feuchten Tuch, welches man einem Feuer zu dessen Eindämmung übergeworfen hatte, nicht unähnlich, bis sie nach einer kurzen Weile vollständig aufgebraucht war. Ein kurz geschorenes Gras, gelblich und kraus, wurde zu Füßen des Schamanen daraufhin sichtbar.
    Zarr Mudah, dessen Leib von einem dicken, grauen Überwurf größtenteils verhüllt wurde, verschloss seine Augen, begann leise Beschwörungen zu rezitieren und sich in einem gleichbleibenden Takt geringfügig hin und her zu wiegen. Es dauerte nicht allzu lange, da erstarrte er mit einem Mal in seinem Tun, so als wäre er ob seines eigenen bösen Zaubers gerade zu Stein geworden oder zu einer eisigen Statue gefroren. In Wahrheit jedoch wurde sein Inneres umso reger, je mehr die Trance, in welche er sein Bewusstsein befördert hatte, seine üblichen körperlichen Funktionen außer Kraft setzte. Seine Perspektive war plötzlich verändert, denn seine Augen blickten nunmehr aus einer beträchtlichen Höhe auf die Umgebung herab und nahmen diese wahr, als wären sie einem mächtigen Adler oder gar einem Greifen zugehörig. Anschließend verschob und verlagerte sich sein Sichtfeld, denn sein Augenmerk wandte sich nach Norden und fühlte sich fortan wie der Geist einer Krähe an, die scharfsichtig über das Land hinwegruderte.
    Der Ork sah, wie Engat Lum als ein trostloses, narbiges Gebilde im Süden verschwand, während sich bald darauf die glatte, zu einem eisigen Spiegel gefrorene Fläche des Lad Falinn anschloss. Rundherum breiteten sich dichte Wälder nach allen Richtungen hin aus und wirkten aus der luftigen Warte, ungeachtet ihrer wahren Höhe, wie hölzerne Spielzeugbausteine. Dazwischen tummelten sich seltene Wesen, die so scheu und vorsichtig waren, dass sie einzig einem Vogel nicht verborgen bleiben konnten, wie Schneewölfe, Kodos, Bären oder auch die klugen uns beredten Faune, die auf in Hufe auslaufenden Bocksbeinen gingen und deren Oberkörper denjenigen von Menschen ähnlich waren. Anschließend, je weiter sein Blick gen Norden rollte, wurde das Land immer flacher, spärlicher bewachsen, bis schließlich auch die letzten Nadelbäume und Büsche zurückblieben. Polierter Schnee war in jener einsamen Tundra allgegenwärtig, und bizarre Eisformationen, von denen viele das ganze Jahr über Bestand hatten, ließen die leere Umgebung wie ein erstarrtes Meer erscheinen.
    Irgendwann teilte sich der Grund dann zu einem riesigen Spalt, der sich schon vor Urzeiten wohl aufgetan hatte, da der Kilamdël oder einer dessen größeren Nebenflüsse einst jenen Platz für sich beanspruchte. Jene gewaltige Kluft, über die nicht viel bekannt war, galt als die größte ihrer Art auf dem nördlichen Kontinent und war im elbischen Dialekt als
Lecuna Gandaín
, die
Gigantenschlucht
bekannt.
    An deren tiefster Stelle wiederum klaffte ein Loch, ein mehr als hundert Schritt durchmessender Abgrund, in welchem die tiefste nur denkbare Schwärze gähnte und sich in ihrem ewig währenden Hunger immer wieder selbst von neuem gebar. Die steil abfallenden Wände wurde umrandet von einem Weg, der sich in einer Spirale scheinbar endlos tief in das Fleisch der Erde hinab schraubte. Dunkler Rauch wälzte sich aus den Untiefen des furchtbaren Schlunds zur Oberfläche empor und ließ die Luft sauer und faulig wie nach verwesendem Fleisch schmecken. Die ganze Schlucht war demgemäß längst verseucht wie von einem tödlichen Gift, das jegliches Atmen zu einer Qual werden ließ und dem nichts

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