Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
war.
Plötzlich gerieten sie auf einen kleinen, grünen Platz, der an seinem nördlichen Ende von einer undurchdringlich erscheinenden Wand aus immergrünen Bäumen begrenzt wurde. Zu ihrer Rechten befand sich ein von leuchtendem Gras bewachsener Hügel, von dessen Grat eine Quelle hervorsprudelte und eine kleine Kaskade in die Tiefe entsandte. An der Sturzkante schimmerte das Wasser so weiß wie Elfenbein, doch je tiefer es dem Grund des Tals kam, desto mehr verströmte es einen silbrigen Glanz, der sich wie ein Fächer in alle Bereiche der Lichtung hin ausbreitete. Weitaus interessanter noch wirkten jedoch vier Bäume, Ebereschen ähnlich, jedoch weitaus enormer in ihrem Wuchs, die unweit des Hangs aufragten und deren Stämme wie graue Seide glänzten. Der Schatten jedes einzelnen der Bäume war wie eine eigene, dunkelgrüne Halle, und zusammen genommen bildeten sie die weitläufige Unterkellerung eines gewaltigen Anwesens. Denn fürwahr verhielt es sich so, dass an den Stämmen Leitern aus Stricken und hölzernen Tritten und außerdem eine solche, die zur Gänze aus schön geschnitztem Holz gefertigt war, befestigt waren und empor zu einer außerordentlich geräumigen Plattform einluden. Diese wiederum trug ein beachtliches Haus. Trotz seiner Größe war das Elbenheim nicht einfach zu finden, wenn man nicht wusste, wo man zu suchen hatte, denn es war natürlich geformt, mit hellgrünem Laub an den Wänden und weißen und goldenen Blüten an den Dachbalken. Um das Anwesen herum schwebte ein helles Schimmern wie ein feiner Staub, der das Licht teils einfing und widerspiegelte und teils durch sich hindurchließ.
„Ich heiße Euch willkommen, liebe Freunde, und habt Dank, dass Ihr den Weg hierher auf Euch genommen habt! Aber nun kommt nach oben, und nehmt eine Stärkung ein, denn der Marsch zurück zur Siedlung ist nicht gerade kurz für einen Nachmittag“, sagte mit einem Mal eine klare Stimme, die sich mit den Geräuschen des Wassers verquickte.
Unwillkürlich schweiften die Blicke von Ulven und Marcius zunächst zu der Quelle hin, doch dann wurden sie gewahr, dass jemand aus dem Baumschatten zu ihnen gesprochen hatte. Tulorin lachte freundlich und bedeutete seinen Begleitern, ihm nachzufolgen. Daraufhin führte er sie zwischen die vier Baumriesen, die wie wehrhafte Türme oder mächtige Säulen aufragten, zu der Holzleiter, die den einfachsten der möglichen Wege zu dem Baumhaus darstellte. Die Stiege war eine Wendeltreppe, die sich um den Stamm der größten der Eschen herum nach oben schraubte. Die hölzernen Tritte gaben den ungelenken Schritten der Menschen einen guten Halt, wenn sieauch über einen zusätzlichen Handlauf dankbar gewesen wären, und so gelangten sie rasch in die Höhe und verschwanden in der Obhut des ausladenden Astwerks.
Sie betraten über eine große, kreisförmige Öffnung die hölzerne Plattform und den beeindruckenden Raum, den man darum geschaffen hatte. Die Innenwände waren mit einem dicken Wandteppich aus hellgrünen, besonders zart anmutenden Blättern bewachsen, und dahinter schienen Lichter gefangen zu sein, denn zwischen den Stängeln der Pflanzen und durch ihre gewellte Oberfläche hindurch schimmerte es wie von kleinen Flammen. Genau in der Mitte des Gemachs stand in einer Bodenvase eine imposante Glasrose, in welcher sich die Strahlen der durch den Blätterhimmel hineinscheinenden Sonne spiegelte und die eine Mehrzahl von Regenbogen in leuchtenden Farben an die Wände warf. Das Licht, das in dem hochliegenden Wohnhaus herrschte, war sanft und gedämpft und vermittelte augenblicklich ein Wohlgefühl. Gleichermaßen war der Anblick, dem sich die jungen Menschen ausgesetzt sahen, derart betörend und die Sinne beinahe überflutend, dass er sehr wohl die Macht besaß, ihre Seele in Besitz zu nehmen und niemals wieder vollständig zu entlassen.
„Ich weiß, dass es ungewöhnlich für eine Nolori ist, ein Baumhaus wie dieses als stillen Rückzugsort zu wählen, doch die Lindar machten es einst meinem Gemahl und mir zum Geschenk, und ich weiß keinen anderen Platz in diesem Hain, an welchem ich mich so innig dem Nachdenken und der Besinnlichkeit hingeben könnte“, sagte Nimroël.
Sie saß, mit einem Mistelzweig, den sie zwischen ihren Händen rieb, auf einem Sitz, der wie ein weit übergroßes Lindenblatt aussah und den man als aufgeklärtes Lebewesen für ein besonders kunstvolles Schnitzwerk hätte halten können, das man auf passende Weise angemalt hatte. Tatsächlich
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