Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
wurde landläufig auch als das
Juwel des Nordens
bezeichnet, was aufgrund des Wohlstandes, der in seinen Mauern erblühte, leicht verständlich war. Darüber hinaus übten sich die Bewohner des Landes, was die Zurschaustellung des von ihnen verwahrten Reichtums anging, keineswegs in Zurückhaltung. Dies führte einerseits dazu, dass ein immenser Glanz ihre Stadt umgab, und viele Außenstehende ihnen mit einem gehörigen Maß an Bewunderung begegneten. Andererseits brachte dies zuweilen auch Unverständnis und Neid mit sich.
Die Gebäude, im Zentrum der einzigartigen Stadt, die ihrerseits den Großteil des Reiches darstellte, schienen sich an Schönheit, Pracht und Eleganz gegenseitig übertreffen zu wollen. Jener Eindruck trog ebenso wenig, wie dieser Zustand zufällig zustande gekommen war, denn die Besitzer der Häuser galten als begierig nach Anerkennung und Statussymbolen und als empfänglich für Komplimente und die neiderfüllten Blicke anderer, weshalb sie zur Verwirklichung ihrr Wünsche weder Kosten noch Mühen gescheut hatten. Die meisten der Wohngebäude hatten kühn geschwungene Kuppeldächer – eines der besonderen Merkmale der engat lumischen Architektur –, viele waren eingefasst von Säulengängen, andere hatten schlanke Türme als Anbau, und wieder andere waren so weitläufig, dass man auf den ersten Blick nur raten konnte, wo sich die verschiedenen Eingänge befanden oder wo Haupt- in Nebengebäude und Seitenflügel überging. Auffallend war, dass die meisten von ihnen nach Möglichkeit über üppige, pflanzenreiche Gärten verfügten oder wenigstens an einer der Außenwände von Efeuranken überwuchert wurden. Dies geschah vorwiegend wohl, da man für die vermeintliche Verbundenheit mit der Natur, für die an diesem Ort in Wahrheit nur wenig Platz vorhanden war, Beweis zu führen suchte.
Auf jeden Fall wirkten zahlreiche der Häuser wahrhaftig wie Edelsteine, die in eine ausgesucht kostbare Fassung eingearbeitet waren.
Überall wurde das noch blasse Licht des jungen Tages vom hellen Marmor reflektiert, sodass ein ähnlicher Anblick wie derjenige einer schneebedeckten Landschaft, auf der sich reichlich Sonnenstrahlen brachen, entstand. Die bei weitem vorherrschende Farbe der Gebäudemauern war strahlendes Weiß, während sich die Mehrheit der Dächer davon in dezent gehaltenen, bunten Farben absetzten. So sah man etwa ein Türkis, das an die Farbe altehrwürdiger Bronze erinnerte, oder aber das unverwechselbare Orangerot von Safran, dem erlesenen Gewürz, mit dem die Engat Lumer schon seit langer Zeit regen Handel trieben.
Trotz des vorhandenen Prunkes, der Grünanlagen und der mannigfaltigen, ebenso aufwändig wie wunderbar gearbeiteten Bauten, deren Eindruck und Strahlkraft man sich unmöglich zuentziehen vermochte, gab es einen Grund, weshalb sich Fremde und Besucher an jenem entlegensten Punkt der menschlichen Zivilisation in vielen Fällen unwohl fühlten. Es war dies die Besessenheit der Engat Lumer nach Symmetrie, Gleichförmigkeit und strikter Reglementierung, worin sie etwa die Erbauer Pír Cirvens bei weitem übertrafen.
Alle der Häuser, welche den Kern der Stadt bildeten, waren unabhängig von ihrer Größe und Bauart in regelmäßige, überaus ordentliche Reihen gegliedert, sodass jener Anblick wahrlich gestreng wirkte. Die Straßen und Wege, die das Meer der Gebäude durchschnitten, verliefen pfeilgerade, vollends eben und erweckten den Eindruck einer künstlichen, eiskalten Präzision. Selbst die wenigen Bäume, die man inmitten jener von Perfektion und Sauberkeit erstrahlenden Metropole duldete, waren zu wohlüberlegten, in ihrer Zusammensetzung ausdrücklich bestimmten Reihen zusammengefasst.
Keine andere Gemeinschaft, die bekannt war, auch nicht die Lemurier zu Zeiten Augurs, geißelte sich mit einer solchen Fülle an Vorschriften und Gesetzen wie die Bürger des kleinen, nördlichen Königreiches. So oblag beispielsweise jemandem, der eines der Häuser der schicken Innenstadt der Siedlung zu erwerben und zu bewohnen wünschte, die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass der für alle sichtbare Teil seines Eigentums in einer korrekten Makellosigkeit und Reinlichkeit erstrahlte. Ferner wachte ein ganzes Heer von niedrig bezahlten Verwaltungsangestellten mit Feuereifer darüber, dass die öffentlichen Anlagen und Plätze ebenfalls zu jeder Zeit einen erwünschten Zustand aufwiesen. Und bei Verstößen gegen solcherlei Ordnungsvorschriften geriet der ohnehin nicht sehr
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