Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
das wiederum zahlreiche Muster und Figuren auf die Decke zeichnete, die sich in einer so eigenartig lebensnahen Weise bewegten und wandelten, als ob sie eine sorgfältig ausgedachte Bildergeschichte – über die Vergangenheit des Stammes der Nolori womöglich – zu erzählen hätten.
Noch beeindruckender und einmaliger nahm sich die rechte der Zimmerwände aus, denn die Menschen hatten fürwahr noch niemals etwas Vergleichbares gesehen. Vor allen Dingen erstrahlte sie einer atemberaubenden Schönheit, die mit einfachen Worten kaum zu beschreiben war.
Durch einen nur einige Zoll breiten Spalt, der sich dicht unterhalb der Decke öffnete und sich über die gesamte Breite der Wand dahinzog, rann eine Wasserkaskade in kristallklaren Tropfen wie ein zarter Vorhang hinab. Das Holzgeflecht, das die Wand bildete, war somit gänzlich verborgen hinter dem silbern schimmernden, wellenförmig gekräuselten Schleier. Ohne jede Hast und leise flüsternd, gelangte das Wasser in eine steinerne Rinne am Boden, die offensichtlich von einer unsichtbaren Energiequelle erhitzt wurde und darum rötlich erglühte. Sogleich nach ihrem Auftreffen verdampfte die feine Flüssigkeit entsprechend, woraufhin sich glitzernder Wasserdampf in der Luft verteilte und schließlich wieder in den Lebenskreislauf eingespeist wurde. Als Zeichen dessen hing stets ein farbenfroher Regenbogen in der Luft und vermittelte einen Hauch des Ladorën Sa Celibo Ledas in diesem tiefen Wald.
Die jungen Rhodrim dachten bei sich, als sie das wundersame Schauspiel betrachteten, dass wohl ein Bach hinter dem Haus vorüberlaufe und diesem ein Wasserlauf entwische, der wunschgemäß in das Rauminnere geleitet wurde. Allerdings waren sie sich sicher, dass die Elben auch einen Zauber gewirkt hatten, denn zu vollkommen erschien dieses Geschehen, als dass es ausschließlich auf einem Zufall der Natur oder einem ausgeklügelten Denken und einem geschickten Werkeln beruhte.
Obendrein hing ein betörender Wohlgeruch in der Luft, für welchen zahlreiche, in einem höchst bedachten Mischverhältnis verwendete Kräuter und andere Duftstoffe verantwortlich zeichneten. In regelmäßigen Abständen hingen kleine Schalen an den Wänden, unter denen kleine Kerzen brannten und aus denen die angenehmen Dämpfe zu den Deckenöffnungen des Saales stiegen und sich auf ihrem Weg dorthin in alle Richtungen verteilten. Auf diese Weise wurden die Empfindungen von Lebendigkeit, Leidenschaft und Frische, die an diesem Ort ohnehin allgegenwärtig waren, von noch größerer Nachhaltigkeit gekrönt.
„Setzt Euch zu mir, meine lieben Brüder und Schwestern, und nicht zuletzt Ihr, unsere Gäste aus den Ländern der Irremani, die Ihr Euch selbst lieber als Menschen bezeichnet“, sagte Thingor und machte eine einladende Geste zu dem Bereich hin, der sich nahe vor seinem Thron ausbreitete.
Augenblicklich sprangen daraufhin einige der Elbenjungen und -mädchen herbei, die zuvor in der linken Hälfte des Raumes gesessen hatten, und breiteten einige weich anmutende und schön bestickte Kissen aus. Es dauerte nicht lange, da hatten Eldorin, Faramon, Erenya, Ulven und Marcius dort Platz genommen und fanden die Sitzmöglichkeiten sehr bequem.
Mehrere feine Fältchen waren in das Gesicht des Nolori gemeißelt. Diese rührten nicht etwa von seinem fortgeschrittenen Alter her, wie man es bei einem Mann hätte vermuten können, sondern von den gramvollen Dingen, die seinen klugen Verstand beschäftigten und die ihm förmlich auf die Stirn geschrieben standen. Entsprechend waren seine Züge ungewöhnlich hart für einen Elben, und doch prangten in seinen dunkelgrauen Augen Funken, die so hell und leuchtend erschienen, als wären sie aus Sternenlicht geschaffen, das man in einer klaren Nacht gefangen hatte. Insgesamt wirkte Thingor fernab jeder Zeit, die man messen konnte, weitaus älter als Eldorin oder Faramon, und doch so stet und makellos wie eine ruhige See unter einem vollen Mond. Er drückte zugleich Weisheit, Rechtschaffenheit und eine große Vertrauenswürdigkeit aus und besaß darum ein anziehendes Wesen, dessen Gesellschaft man nur ungern entsagen mochte. Jedoch bewahrte er bei sich auch eine gewisse Portion Fremdartigkeit und Geheimnis, wie die beiden jungen Menschen fanden.
Der hohe Fürst der Nolori hatte tiefschwarzes Haar, und sein rüstiger Körper steckte in einem beigen, mit dunkelgrauen Stickereien verzierten Gewand, während sein Haupt von einem Diadem aus einem strahlend blauen
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