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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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mehr weiter Rücksicht genommen werden. Der Nachholbedarf verpasster und geopferter Lebensmöglichkeiten wird durch das bevorstehende Alter gewaltig gesteigert.
    Die Situation ist in unserer Kultur für Mann und Frau trotz gleichartiger Züge verschieden.
    Bei manchen Männern breitet sich eine Malaise aus, weil sie aus ihrem Leben nicht das machen konnten, was sie erwartet hatten, und mit dieser Tatsache noch 30 bis 40 Jahre zu leben haben. Sie finden ihr Leben und sich selbst nicht sinnvoll bestätigt und neigen dazu, die Schuld an ihrem Versagen der Ehe zuzuschieben, die sie in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung gehindert habe. Sie sind zu Hause missmutig und gereizt. Verhält sich die Frau besänftigend, so fühlen sie sich von ihr noch mehr in der verfehlten Identität gefangen. Wehrt sich die Frau aber dagegen, sich zum Sündenbock machen zu lassen, so spürt der sich unverstanden fühlende Mann nun erst recht das Bedürfnis nach einer verständnisvollen Geliebten, die ihn in seinem tragischen Los bedauert. Obwohl das Gegenteil zu erwarten wäre, sieht die Situation erfolgreicher Männer in dieser Phase nicht anders aus. Auch wenn all die hartumkämpften Berufsziele erreicht werden konnten, entsteht oft ein Gefühl des Unbehagens, der Leere und Depression. Die Schalheit von Erfolg, Prestige, Reichtum und Besitz wird spürbar. Es melden sich Zweifel, ob man sich unter Leben eigentlich das vorgestellt hat, was dabei herausgekommen ist. Es stellt sich die Frage, ob der große Einsatz, der zur Erreichung der gesteckten Ziele notwendig war, nicht ganz andere Lebensmöglichkeiten verpassen ließ. Man gesteht der Frau zwar zu, sich unter ihrem leitenden Halt eventuell über die eigenen Möglichkeiten hinausentwickelt zu haben. Dieser leitende Halt wird nun aber zur Zwangsjacke. Man möchte in gewissem Umfang auf Erfolg und Leistungsverpflichtung verzichten und mehr man selbst sein und das Leben genießen. Andererseits fällt es einem doch schwer, auf den Komfort, die Sicherheit und das Prestige zu verzichten, das man so hart erkämpfen musste. Manche geraten in eine Berufskrise, wechseln die Stelle oder sogar die Art der Tätigkeit und beginnen mit einer neuen Ausbildung.
    Auf dem Gesicht der Frau werden die ersten Falten sichtbar. Der Mann stößt sich daran, aber nicht nur, weil die Frau deswegen weniger schön und jung wirken würde, sondern auch weil er das eigene Älterwerden weniger an sich selbst als vielmehr an seinem Gegenüber wahrnehmen wird. Eventuell muten ihn die Gesichtsfalten wie Narben der langjährigen Auseinandersetzungen an, Auseinandersetzungen, die tiefe Wunden geschlagen haben, die zwar vernarbt, aber nicht beseitigt worden sind. Wenn er sich nach einer jüngeren Frau sehnt, so geschieht das nicht nur, weil diese schöner wäre, sondern vielmehr, weil ihm diese das Gefühl vermittelt, selbst nochmals als Junger von vorne beginnen zu können, es diesmal besser zu machen und all die langjährigen Spannungen, unbefriedigenden Kompromisslösungen, gegenseitigen Verletzungen und resignierten Vorwürfe hinter sich lassen zu können. Manche gehen in dieser Phase eine außereheliche Beziehung ein oder streben eine Scheidung an. Sie hoffen, damit aus der festen Identität auszubrechen, die ihnen vom Partner auferlegt wird und die zu einem Standbild erstarrt ist. Sie möchten andere Lebensmöglichkeiten mit einem anderen Partner erproben. Die außereheliche Beziehung wirkt zunächst verjüngend und belebend und verleiht dem Leben neuen Sinn. Oft spielt sich dabei ein Prozess ab, der stark der Reise in ein fremdes Land gleicht: Zunächst ist man vom Andersartigen überwältigt, idealisiert all das Neue, fühlt sich wie neugeboren, bis dann nach einiger Zeit auch die Kehrseiten des Andersartigen deutlicher werden und man gerne wieder in die vertraute Heimat zurückkehrt. Das Eigene kann durch diese Reise kostbarer geworden sein. Man sieht es mit anderen Augen. Man hat sich selbst auf dieser Reise teilweise erneuert und erweitert, teilweise aber hat man auch gelernt, sich als etwas Kontinuierlich-Durchhaltendes zu akzeptieren und als sinnvoll bestätigt zu finden. Wenn jemand ins Ausland reist, besteht ein gewisses Risiko, dass er nicht mehr zurückkehren wird. Meist ist dieses Risiko aber nicht so groß, wenn ihm die Rückkehr nicht erschwert wird.
    Diese Situation erfordert von der Ehefrau ein hohes Maß an Klugheit. Es wäre günstig, sie könnte diese Fremderfahrung auch für sich selbst

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