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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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missbraucht eventuell die heranwachsenden Kinder, um ihre Ehe zusammenzubinden und der Ehekrise auszuweichen. Das kann für die Kinder sehr schädlich sein. Es ist deshalb ein berechtigtes Ziel der Familientherapie, die Eltern darauf zu verweisen, ihre Eheprobleme nicht über die Kinder auszutragen. Oft lassen es aber die Familientherapeuten an Verständnis für die phasenbedingten Schwierigkeiten der Eltern, besonders der Mütter, vermissen.
    Wenn man bedenkt, wie prekär die eheliche Situation in dieser mittleren Lebensphase ohnehin ist, und die Eltern der meisten behandelten Familien sind in dieser Phase, so wird man zumindest Verständnis dafür gewinnen, dass sich die Eltern oft an die Kinder anzuklammern versuchen, weil diese in ihren Augen tatsächlich die einzigen Vermittler sein können. Es wird also eine schwierige und aufwändige therapeutische Arbeit sein, die Eltern zu veranlassen, ohne Einbeziehung der Kinder sich mit ihrer ehelichen Beziehung zu befassen. Eine Vorbereitung auf die Schwierigkeiten dieser Ehephase dürfte im Interesse der Prävention besonders wichtig sein, um das ängstliche Sich-Klammern an Ehe und Familie zu vermeiden.
    Die Krise der mittleren Jahre kann für die Reifung eine ganz entscheidende Phase sein. Das Fassadenhafte des gemeinsamen Lebens wird spürbar. Hat man den Mut, die Kulissen einzureißen, so ist damit nicht etwa alles zerstört, sondern das Echte und Fortdauernde der Beziehung wird erst wirklich sichtbar. Man lernt sich dabei eventuell ganz neu kennen. Man sieht die Fehler, die man aneinander und miteinander begangen hat, sieht, dass diese Fehler Konsequenzen hatten, die teilweise nicht mehr rückgängig zu machen sind, lernt aber auch, sich gegenseitig in einer tieferen Weise zu verstehen und damit sich mit sich selbst und dem Partner zu versöhnen. Die reife Nachsicht und Weisheit, die dieser Versöhnungsprozess mit sich bringt, gibt der vieljährigen gemeinsamen Geschichte ihren Wert zurück. Bei der Frage der Treue geht es letztlich um die Frage, ob man sich selbst und dem gemeinsamen Weg, den man miteinander beschritten hat, treu bleiben will als etwas, das gewachsen ist, das vom Schicksal geprägt ist, das die eigene und einmalige Geschichte ist.

3.4. Die Altersehe Altersehe
    Alter heißt für viele: Pensionierung des Mannes, Rückzug aus dem aktiven Leben ins Getto der Betagten, Witwen und Rentner, heißt Gebrechlichkeit, Krankheit und nahender Tod. Die alten Freunde und Bekannten sterben weg, die vertraute Umwelt verändert sich, man ist am Weltgeschehen nicht mehr direkt engagiert und kommt in vielen Fragen nicht mehr mit. Das Paar rückt wieder enger zusammen. Das Gleichgewicht verschiebt sich jetzt häufig zugunsten der Frau. Der Mann hält sich zu Hause auf, im Reich der Frau, wo sie ihn jetzt ganz für sich beanspruchen kann, ihn eventuell als Hausdiener beschäftigt oder ihn abhängig und hilflos macht. Die Partner hängen wieder mehr aneinander, sie blicken auf ein langes gemeinsames Leben zurück, sitzen im gleichen Boot, haben einen gemeinsamen Feind in Krankheit, Tod und bedrohlicher Umwelt.
    Das Paar bildet eine Schicksalsgemeinschaft. Die hohe gegenseitige Abhängigkeit kann einesteils beglückend sein, andernteils schafft sie erneute Probleme. Jedes versucht, das andere von sich abhängig zu machen und selbst die Unabhängigkeit zu wahren. Es kommt eventuell zu endlosen Zänkereien, Stellungskrieg und gegenseitigem Zufügen von kleinen Bösartigkeiten, mit denen man sich dem Partner gegenüber behaupten will. Dieser Kleinkrieg kann zum Lebensinhalt der Partner werden, erhält sie fit und auf Draht und lässt sie die verbliebenen Kräfte spüren. Nicht selten schließt sich das Paar gegen die feindliche Umwelt ab. Man verschanzt sich in der Wohnung und zehrt an den gemeinsamen Enttäuschungen und Kränkungen vonseiten der Kinder.
    Besonders belastend ist der Tod eines der Partner. 50% der Frauen und 20% der Männer sind verwitwet, wenn sie in den Lebensabend eintreten (S CHENDA ). Die wechselseitige Abhängigkeit und die Vertrautheit der Liebe zueinander haben das bisherige Leben erleichtert. Der Hinterbliebene muss nicht nur den Verlust des Partners, der ein Teil seines Lebens geworden ist, überwinden, sondern er muss sich zusätzlich in die Abhängigkeit anderer, ihm eventuell fremder Menschen begeben. Die Frau ist gewöhnlich eher in der Lage, den Verlust des Partners zu verarbeiten, weil sie gewohnt ist, den Haushalt zu führen.
    Dies ist eine

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