Die Zweierbeziehung
zurückzubringen und ihn zur Aufgabe der Geliebten zu drängen. Der Mann aber erscheint nur widerstrebend zur Behandlung, da er ja in einer Therapie von seiner privilegierten Position Abstriche machen müsste, um in der dyadischen Dynamik die Gleichwertigkeit wiederherzustellen.
Es scheint mir gerade in dieser Situation wichtig, an eine Therapie realistische Erwartungen zu stellen. Wenn einer der Partner die Ehe nicht mehr fortsetzen will, so ist das, vom Therapeuten aus gesehen, sein freier Wille, der zu respektieren ist. Jetzt, wo die Kinder ein gewisses Alter haben, besteht an sich keine dringliche Notwendigkeit oder moralische Verpflichtung zur Fortsetzung der Ehe mehr. Ob es sinnvoll ist, die Ehe weiterzuführen, muss von den Partnern selbst entschieden werden. Der Ehetherapeut stiftet meist keine neue Ehemotivation, sondern befasst sich mit der Klärung von Ehestörungen. Besteht eine außereheliche Liebschaft, so interessiert sich die Ehetherapie für die Geliebte eigentlich nur insofern, als der Mann bei der Geliebten eventuell etwas suchen könnte, was er bei seiner Frau vermisst und unter günstigen Umständen auch bei ihr finden könnte. Es geht also darum, ob bei einer verbesserten ehelichen Beziehung die Geliebte überflüssig würde. Die Erreichung dieses Ziels erfordert aber meist von Mann und Frau eine große therapeutische Anstrengung, die zu leisten die eine oder andere Seite oft nicht gewillt ist, da es leichter ist, sich mit gegebenen Verhältnissen abzufinden, als eine zur Gewohnheit gewordene Beziehung umzustrukturieren. Es kann eine Tatsache sein, dass man sich in den 10 bis 20 Jahren des Zusammenlebens auseinanderentwickelt hat und dass die Geliebte dem Mann ein Verhalten zugesteht, das seinem jetzigen Ideal-Selbst eher entspricht. Für die Ehefrau ist besonders belastend, dass die Geliebte nicht selten wesentlich weniger differenziert ist als sie und dass diese neue Beziehung des Mannes aus ihrer Sicht nicht einem Schritt zu erhöhter Reifung, sondern eher einem Abstieg zu Primitivität gleichkommt. Es kann aber sein, dass der Mann in dieser neuen Partnerschaft, selbst wenn sie zur Zweitehe wird, tatsächlich glücklicher und befriedigter ist und dass er sich von den Ansprüchen seiner ersten Frau überfordert und emotional frustriert gefühlt hatte. Die Geliebte, deren Beziehungsform oft in einer maximalen und bedingungslosen Bestätigung des Mannes bestanden hatte, hat allerdings in einer nachfolgenden Ehe oft einen recht schwierigen Stand.
Wenn auch beide unter der Ehe leiden, ist damit noch lange nicht erwiesen, dass die Partner zu einer Paartherapie motiviert sind, also eine ernsthafte Anstrengung unternehmen wollen, um ihre Verhältnisse zu verändern. Die «beschissene» Situation vermittelt eine gewisse gesellschaftliche Resonanz und allgemeine Anteilnahme. Manche würden fürchten, der Naivität bezichtigt zu werden, wenn sie sich in diesem Alter noch als glücklich und treu verheiratet erklären würden. Das Leben in ungeregelten Verhältnissen, halb verheiratet, halb geschieden, die ambivalente Bindung in Hass-Liebe hat ihren besonderen Reiz. Bei der Indikationsklärung für eine Ehetherapie ist also zu untersuchen, ob wirklich ein Wille zur Veränderung der Verhältnisse besteht oder ob man sich nicht im Grunde mit seiner Ehemisere eingerichtet hat.
Es stellt sich für die Frau auch ohne das Problem einer außerehelichen Liebschaft die Frage, welche Möglichkeiten sie hat, diese schwierige Zeit zu bewältigen. Am günstigsten dürfte es sein, wenn die Frau sich wirklich auf die eigenen Füße stellt, ein eigenes Tätigkeitsgebiet findet, eventuell einen eigenen Bekanntenkreis schafft und sich so von der Gunst des Mannes unabhängig macht. Die Ehe setzt sich dann in meist weniger intensiver, verdünnter Form fort. Sie existiert, nimmt aber nicht mehr einen so zentralen Stellenwert ein. Sie muss deswegen nicht unglücklich sein. Die Gleichwertigkeit bleibt gewahrt. Diese Lösung erreichen aber viele Frauen nicht. Manche suchen eine berufliche Zusammenarbeit mit ihrem Mann. Gelegentlich geht das gut. Nicht selten begibt sich die Frau damit aber dem Mann gegenüber in ein Angestelltenverhältnis, was wiederum zu Schwierigkeiten bezüglich der Gleichwertigkeit führen kann. Viele Frauen trauern der intensiven ehelichen Aufbauphase nach und versuchen, von dieser zu retten, was zu retten ist. Oft trachten sie danach, die Kinder klein und abhängig zu halten. Das Paar benötigt und
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