Die Zweierbeziehung
Angst oder Schuldgefühlen nicht, eine klare Grenze gegen die Eltern zu errichten, sodass sich diese in alle Angelegenheiten einmischen. Es kommt zu einem Kampf um das Besitzrecht zwischen den Eltern und dem Partner, einem Kampf um Abhängigkeit und Trennung.
Eine grundsätzlich neue Situation entsteht, wenn das Paar Kinder haben will. Besonders für die Frau ist das eine folgenschwere Entscheidung, weil das Auferziehen von Kindern wahrscheinlich trotz aller moderner Bemühungen im Allgemeinen für sie nicht mit den gleichen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten verbunden werden kann, die der Mann hat. Die junge Mutter setzt sich bezüglich beruflicher Karrierechancen dem Mann gegenüber in Nachteil, was im heutigen Wertsystem schwer zu verarbeiten ist. So können durch Schwangerschaft und Auferziehung von Kindern bei der Frau starke Rivalitätsgefühle bezüglich «männlicher» Rollenprivilegien entstehen.
Durch die Kinder entsteht eine tiefgehende Veränderung der Paarbeziehung. Die Partner sind nicht mehr so viel allein für sich. Sie sind nicht mehr so aufeinander ausgerichtet. Die exklusive Zweisamkeit wird zeitlich limitiert und erschwert. Besonders beim Mann, gelegentlich aber auch bei der Frau, tritt eventuell Eifersucht auf die Kinder auf, weil sie einen Teil der Zuwendung des Partners wegnehmen. Man fühlt sich in den Erwartungen an Zärtlichkeit, Zuwendung und Geborgenheit vonseiten des Partners beschnitten. Wenn Intimitätsängste bestehen, kann die stärkere Aufgabenorientierung der Paarbeziehung durch das Aufziehen von Kindern begrüßt werden. Entscheidende Probleme können in solchen Fällen entstehen, wenn die Kinder der Familie entwachsen. Es kann auch sein, dass durch die Kinder die gegenseitige Abhängigkeit gefestigt wird und dadurch Trennungsängste in den Hintergrund treten. Diese Ängste werden erneut manifest, wenn die Kinder die Eltern nicht mehr ausreichend zusammenhalten.
3.3. Die Krise der mittleren Jahre Krise der mittleren Jahre
In der Aufbau- und Produktionsphase erzeugte die Fülle von äußeren Schwierigkeiten, die vom Paar zu bewältigen waren, ein hohes Maß an dyadischer Kohäsion. Selbst bei tiefgehenden ehelichen Differenzen und Problemen ließen die Größe und der Ernst der gemeinsamen Aufgabe die Möglichkeit des Auseinandergehens in den Hintergrund treten. In den mittleren Jahren ändert sich die Situation grundlegend. In der Aufbau- und Produktionsphase lebte das Paar auf konkrete, in naher Zukunft zu realisierende Ziele hin, die jetzt entweder erreicht worden sind oder deren mögliche Erreichbarkeit realistisch abgeschätzt werden kann. Die berufliche Karriere des Mannes ist jetzt so weit festgelegt, dass deren zukünftiger Verlauf in relativ geringer Schwankungsbreite voraussehbar geworden ist. Damit ist auch der soziale Status der Familie bestimmt und der finanzielle Rahmen, in dem die Familie leben wird, gesteckt. Die Polstergruppe ist angeschafft, der Fernsehaltar aufgebaut, das Einfamilienhäuschen geplant oder bezogen; es besteht kaum noch ein äußeres Ziel von einiger Relevanz, worauf das Paar hinlebt und wodurch es zusammengehalten und strukturiert wird. Die Kinder sind nicht mehr in einem Alter, in dem die Anwesenheit beider Eltern für deren Entwicklung unbedingt erforderlich ist. Während das Paar in der Aufbau- und Produktionsphase bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit beansprucht worden war und beide Partner sich nach mehr Ruhe und Freizeit sehnten, breitet sich jetzt, wo dieser Zustand erreichbar wird, eine große Leere aus. Der gemeinsame Aufbau ist so weit gediehen, dass die Vollendung des Werkes das Paar nicht mehr zusammenschweißen wird.
Beide Partner haben ihre Identität wesentlich in der gemeinsamen Auseinandersetzung und in der gemeinsamen Aufgabenbewältigung gefunden. Jetzt haben sie eventuell Mühe, sich weiterhin auf dieses Selbstbild festlegen zu lassen. Sie verfallen einer Art zweiten Pubertät, einer zweiten Identitätskrise. Mit steigendem Freiheitsgrad schwindet der zwingende Anlass zur Identifikation mit der Ehe. Eventuell brechen starke Ressentiments gegen die Ehe aus. Man ist nicht mehr bereit, seine persönlichen Interessen der Ehe und der Familie unterzuordnen. Man möchte im Gegenteil diejenigen Lebensmöglichkeiten, die einem in der Solidarität mit dem Partner verbaut worden sind, nachholen. Man möchte man selbst sein können, ohne sich dem Partner anpassen zu müssen. Auf die eheliche Gleichwertigkeitsregel soll nicht
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