Die Zweierbeziehung
stimulierend.
Theodor L IDZ (1970) sagt zur Anpassung in der Ehe: «In der Regel erfordert jede Ehe – und leistet auch, wenn sie glücklich ist – eine tief gehende Um- und Neustrukturierung der Persönlichkeit beider Partner, durch die deren weitere Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig beeinflußt wird. In der Gemeinsamkeit der Ehe werden bestimmte Funktionen geteilt, andere von dem einen oder dem andern Partner allein getragen, und damit gewisse Aspekte der Individualität eines jeden aufgegeben. So werden, indem die Persönlichkeit in der Beziehung zum Partner neue Gestalt gewinnt, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und Charakterzüge stärker hervortreten, andere dagegen an Bedeutung verlieren … das Ich muß in der Ehe nicht nur das Selbst, sondern auch den Partner und die Ehe als in sich geschlossenes Ganzes mit einschließen. In der optimalen Ehe wird der Partner zu einem zweiten Ich, dessen Wünsche und Bedürfnisse und dessen Wohlbefinden zugleich mit denen des eigenen Ichs erwogen werden … Vor allem in den kleinen Dingen des täglichen Lebens suchen die Partner Übereinstimmung zu finden, wodurch sich eines jeden Leben auf den anderen hin bewegt» (S. 572).
Dieser Anpassungsprozess führt beim Individuum, kaum hat es die Identitätskrise der Adoleszenz halbwegs hinter sich gebracht, zu einer erneuten Auflockerung des Persönlichkeitsgefüges. Die Persönlichkeit wird in der Auseinandersetzung mit dem Partner umstrukturiert. Manches, was in der Adoleszenz erworben wurde, wird wieder aufgegeben, weil es vom Partner nicht beantwortet und verstärkt, sondern gehemmt und abgelehnt wird. Manches wird dem Partner abgetreten und ihm überlassen, was zu teilweisen Regressionen führen kann und die gegenseitige Abhängigkeit fördert. Andererseits wird die persönliche Entwicklung in mancher Hinsicht durch das Zusammenleben gefördert und zur Reife gebracht, nicht nur weil es die gemeinsame Aufgabe so erfordert, sondern auch weil der Partner einem diese Reife abverlangt.
War in der Adoleszenz der Bereich der potenziellen Persönlichkeit, das heißt von dem, was man hätte werden können, noch sehr breit, so tritt das Potenzielle jetzt in den Hintergrund. Man nimmt Gestalt an, man bildet eine Identität, in der das, wie man sich selbst empfindet, und das, wie man von der Umgebung, speziell vom Partner gesehen und beantwortet wird, sich weitgehend decken.
Dieser gegenseitige Anpassungsprozess ist schwierig und gefährlich und kann oftmals aus tieferen persönlichen Schwierigkeiten nicht bewältigt werden. Leicht entstehen dabei gestörte Beziehungsformen, wie ich sie in den folgenden Kapiteln als Kollusionen beschreiben möchte. Es kann zum Beispiel das Problem von Nähe und Distanz besondere Mühe bereiten, die Frage, wie viel Anpassung ohne Selbstverlust möglich ist. In der engen Intimität bilden sich Verschmelzungsphänomene mit deren destruktiven Folgen. Oder die Erkenntnis, in der Liebe getrennt zu bleiben, füreinander nicht Ein und Alles zu sein (M ANDEL ), wird als besonders schmerzlich erlebt. Viele rebellieren dagegen und sind gekränkt, dass der Partner sich in seinen Meinungen und Empfindungen von ihnen unterscheidet. Im günstigen Fall lernen die Partner, dass zu Liebe auch Trennung gehört (C ARUSO ) und die Andersartigkeit des Partners eine faszinierende Erweiterung eigener Erfahrungen ist. Zu Beginn der Ehe tritt ferner leicht die Angst auf, wenn man in einer Auseinandersetzung unterliege, habe man für sein ganzes Leben verloren; jetzt gelte es, sich hart und starr zu behaupten, sonst werde man vom anderen unterdrückt; jetzt dürfe man nicht nachgeben, sonst werde man als Schwächling eingestuft. Aus dieser Angst kann sich ein ehelicher Machtkampf entwickeln. Andererseits kann aber auch die Gefahr bestehen, sich in Auseinandersetzungen vorschnell aufzugeben, um nichts Trennendes aufkommen zu lassen.
All die vielen grundsätzlichen Probleme erfordern von den Partnern die Kunst des fairen Umgehens mit Meinungsverschiedenheiten, das Aushandeln von Lösungen, ohne sich selbst aufzugeben, aber auch ohne vom Partner die Selbstaufgabe zu fordern. Diese Kunst wird heute in Partnerschaftstrainings geübt. Die Wirksamkeit solcher Trainings erreicht meist da Grenzen, wo tieferliegende, neurotische Beziehungsstörungen echte Konfliktlösungen behindern.
Ein wichtiger Problemkreis ist die Neuregelung der Beziehung zu den Herkunftsfamilien, insbesondere zu den Eltern. Manchen gelingt es aus
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