Die Zweierbeziehung
kreischt, wenn die besorgte Mutter es vergeblich zurückruft und ihm schließlich nachrennt, um es einzufangen, womit die Symbiose wiederhergestellt ist. Läuft die Mutter ihm nicht nach, so bleibt es bald stehen und kehrt enttäuscht und leicht verängstigt von selbst wieder zurück.
Das Kind erwirbt sich ferner die Möglichkeit, sich sprachlich mit der Umgebung auseinanderzusetzen, was es ebenfalls in seiner Autonomie bestärkt und den Radius des Meinungsaustausches erweitert und differenziert. Die Sprache ist nun nicht mehr nur Aussenden von Bedürfnissignalen wie etwa das Schreien des Säuglings bei Hunger, sondern Sprache ist ein Pakt, der verbindlich und verpflichtend ist. Was man gesagt hat, wird vom andern erinnert und erwirbt den Aspekt des Unwiderruflichen. Das Bemeistern der äußeren Welt, das In-Besitz-Nehmen und Beherrschen hat etwas Berauschendes und vermittelt den Eindruck von Allmacht. Erst allmählich muss das Kind schmerzlich erfahren, dass seiner Macht Schranken gesetzt werden, dass nicht alles in seinem Besitz steht und es in manchen Belangen sich dem Willen anderer fügen muss, wogegen es zornig und trotzig rebelliert.
Diese ganze Entwicklung ist ambivalent. Die Neuerwerbungen des Fortschrittes gehen mit Verlust von Annehmlichkeiten früherer Phasen einher. Der Gewinn von Autonomie, die Ich-Entdeckung, die Etablierung der Subjekt-Objekt-Spaltung führt zum Verlust der Urharmonie und dem Gefühl, mit allem verbunden und eins zu sein. Die Ambivalenz zwischen Trennung und Verbundenbleiben drückt sich in all den Polarisierungen aus, die diese Phase charakterisieren, der Polarisierung von Selbständigkeit (Autonomie) gegen Abhängigkeit (Heteronomie), von Herrschen gegen Beherrschtwerden, von Aktivität gegen Passivität, von Ordnung-Herstellen, Strukturieren und Aufbauen gegen Auflösung von Ordnung, Zerstören und Rückführung in den amorphen Zustand. Die Sehnsucht, ungetrennt mit allem verbunden zu bleiben, äußert sich insbesondere auch im Masochismus, wo in der Ekstase des Schmerzes das Ich aufgelöst wird und im Beherrschtwerden das Einssein wieder erreicht wird, wo man ganz dem anderen zu Willen ist, sich von ihm geführt, gehalten und dirigiert fühlt und so die regressive Sehnsucht nach Ungetrenntsein befriedigen kann.
Die anal-sadistische Eltern-Kind-Kollusion
Genauso wie in der oralen Phase können die phasentypischen Konflikte der analen Entwicklungsstufe für das Kind besonders schwer zu bewältigen sein, wenn es sich mit den Eltern in Kollusionen verstrickt, die wesentlich darin begründet sind, dass die Eltern selbst Fixierungen auf analer Stufe aufweisen, die durch das Kind reaktiviert werden. Manche Mütter fühlen sich bedroht und ihres Einflusses beraubt, wenn das Kind selbständig wird, ja diese Selbständigkeit sogar in provokativer Weise an ihnen erproben will. Das Kind macht das Gegenteil von dem, was sie wollen, und zerstört so in jeder Hinsicht die symbiotische Einheit mit ihnen. Bei manchen Müttern treten Ängste vor Verlust und Trennung auf. Der ganze Konflikt kann noch durch die soziale Situation gefördert werden. Wenn das Kind all das tut, was es nicht darf, wenn es schmutzig, laut und unruhig ist, erhält die Mutter oft von der Umgebung Vorwürfe. Die Mutter wird neurotisiert, wenn die beengten Wohnverhältnisse von ihr verlangen, dass sie das Kind zu zügeln verstehe, ihr andererseits aber ein antiautoritäres Erziehungsideal vorgehalten wird, das sie unter den gegebenen Umständen nicht zu realisieren vermag.
Die häufigste Kollusion ist der Machtkampf, in dem es Eltern und Kind in gleicher Weise darum geht, wer den anderen zu unterwerfen versteht. Vordergründig mag es so aussehen, als ob die Eltern überlegen wären, offektiv hat das Kind aber gerade wegen seiner körperlichen Unterlegenheit viele Trümpfe in den Händen: Es verfügt über das höhere Schreivermögen, ist im aggressiven Ausdruck seiner Gefühle und Bedürfnisse ungehemmter, hat die Unterstützung anderer Erwachsener leicht auf seiner Seite, wenn sich die Eltern zu aggressivem Handeln provozieren lassen, und belastet die Eltern auch mit Schuldgefühlen, wenn sie sich unkontrolliert gegenüber dem Kind verhalten.
Vermochten die Erziehungspersonen selbst die Entwicklungsanforderungen der analen Phase nicht ausreichend zu bewältigen, so lassen sie sich als Eltern besonders leicht vom Kind in eine Kollusion, in ein destruktives Zusammenspiel hineinreißen. Früher entwickelte sich ein
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