Die Zweierbeziehung
Solche Menschen drängen sich zum Beispiel leicht in führende Positionen, wobei sie die Führungsaufgaben aber schlecht bewältigen, weil sie sich bei ihren Unterstellten anbiedern möchten. Sie möchten sich von diesen vollumfänglich anerkannt fühlen und von ihnen gestützt und getragen werden. Sie wehren diese «schwächlichen» Bedürfnisse aber wiederum ab, indem sie sich den Mitarbeitern gegenüber besonders schroff verhalten und ihre Anordnungen widerspruchslos durchgesetzt sehen wollen, ohne sie begründen zu müssen. In der Ehe und der Familie erwarten sie unbedingte Gefolgschaft, die ihnen äußerlich geleistet wird, ohne dass sie innerlich mitvollzogen wird. Sie stehen in einem unlösbaren Dilemma. Um die Trennungsängste nicht anerkennen zu müssen, verlangen sie absolute Gefolgschaft. Da sie zu Recht befürchten, dass die Gefolgschaft nur äußerlich vollzogen wird, verlangen sie von den Untergebenen mehr persönliche Überzeugung und Stellungnahme. So können wir beispielsweise bei Vertretern religiöser Gemeinschaften leicht beobachten, wie sie von ihren Angehörigen die strikte Befolgung der moralischen Vorschriften verlangen, gleichzeitig aber fordern, dass dieser Gehorsam in freier persönlicher Entscheidung geleistet wird. Sie scheitern am Umstand, dass echte Gefolgschaft nur in der Freiheit des Nicht-folgen-Müssens, das heißt in Autonomie und Trennungsrisiko geleistet werden kann. Anerkennen zu müssen, dass der andere einen eigenen Anspruch auf Initiative und Autonomie hat, bedeutet auch eine Kränkung im narzisstischen Anspruch auf ungetrenntes Einssein.
Ganz ähnliche Haltungen finden wir in den übrigen als aktiv zu bezeichnenden Eigenschaften. Auch bezüglich Besitz wird der Anspruch gestellt, dass der andere einem alles geben müsse, ohne dass man selbst ihm alles zur Verfügung stellt. In der Ehe äußert sich das nicht nur im Materiellen, sondern auch im Anspruch, alles, was der Partner fühlt und denkt, zu erfahren und zu kontrollieren, was als absolute Offenheit in der Liebe etikettiert wird, im Grunde aber ein Mittel ist, den andern zu beherrschen.
Ordnungsliebe, Pedanterie, Nörgelei und Sparsamkeit sind weitere Eigenschaften, die partnerschaftlich im Dienste der autonomen Machtausübung stehen können. Sie sind Mittel, um den andern in seine Position von Abhängigkeit zu verweisen. Gegen diese Form des Herrschens durch Abhängigmachen ist schwer aufzukommen, weil der Überlegene aus seiner Sicht immer im Recht ist und seine Haltung als notwendig zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung legitimieren wird.
Die passiv-analen Charaktere Passiver Charakter
Sie lassen alles mit sich geschehen, ohne der Umgebung den geringsten Widerstand entgegenzusetzen. Sie verhalten sich regressiv und sind im Grunde froh, sich nicht selbst aktiv um irgendwelche Problembewältigung kümmern zu müssen, sondern alles den anderen zu überlassen und sich in deren Sicherheit und Schutz zu begeben. Auch ihnen geht es in erster Linie um Wahrung der Abhängigkeit. Es ist aber nicht so, dass sie sich dem Partner nur unterwerfen. Vielmehr versuchen sie, den Partner zu beherrschen, indem sie sich scheinbar von ihm beherrschen lassen. In milderer Form drückt sich das in einem Sprichwort aus, das heute allerdings nicht mehr gesellschaftsfähig ist: «Der Mann ist das Haupt, die Frau der Hals, sie weiß das Haupt zu drehen.» Von der Frau wird allgemein die mehr passiv-duldende Position, vom Mann die aktiv-aggressive erwartet. Von jeher fanden sich in der Belletristik viele Beispiele, wie die Frau mit List und Schlauheit den Mann zu lenken und zu beherrschen vermag, ohne dass dieser es merkt, da die Frau ihm formell die Führungsposition zugesteht, ihm aber eingibt, wie er zu führen und zu entscheiden hat.
Nicht immer aber ist es die Frau, die die passive Rolle übernimmt. Wer die passive Rolle übernimmt, wird diese meist nur zum Schein akzeptieren und den aktiven Partner verunsichern durch die hintergründige Art, sich seinem Herrschaftsanspruch zu entziehen. Einer direkten Konfrontation wird ausgewichen. Die Unterwürfigkeit ist aber nur ein Lippenbekenntnis. Es wird zwar nie widersprochen, aber es wird in allem ohne Überzeugung nachgegeben. Man schützt sich mit Passivität. Das unterwürfige Verhalten dient der Taktik, den Partner in Sicherheit zu wiegen, um ihn mit umso höherer Gewissheit ins Netz laufen zu lassen und beherrschen zu können. Das Netz wird so weit ausgeworfen, dass der andere es
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