Die zweite Fahrt zur Schatzinsel
Omelette war auf dem
Teller zusammengefallen. Er hatte alles zur Seite geschoben und war mit seinen
Papieren beschäftigt. Als ich hineinkam, blickte er auf.
„Tom, mein Junge, was hältst du
hiervon ?...
,Oh , hör mein Gelöbnis grausiger
Rache,
Meinen Schwur, mein Versprechen
der Leidenschaft hör.“‘
Ich stand da und starrte ihn
an. Ohne zu überlegen nahm ich einen kräftigen Zug von seinem Bier und sagte:
„Kann man nicht ,Schwur’ und ,Gelöbnis“ vertauschen,
Sir?“
Er schob die Lippen vor, zuckte
mit den Achseln und begann dann, mit langen Schritten auf und ab zu schreiten.
„Oh, hör meinen Schwur
grausiger Rache,
Mein Gelöbnis, mein Versprechen
der Leidenschaft hör.“
Ich ging auf Zehenspitzen
zurück in die Schankstube, leerte meinen Bierkrug, nahm den Besen und begann,
den Boden zu fegen. Als Mrs. H. später am Morgen hereinkam, war ich dabei, Korn
und Malz abzumessen. Sie lächelte grimmig und ging fort.
Um zwölf Uhr kam sie zurück,
schnitt mir etwas Brot und Fleisch ab und unterhielt sich mit mir über meine
Familie. Das war im Nu geschehen. Als sie hörte, wie ich zur Welt gekommen war,
schüttelte sie den Kopf und ging fort.
Am Nachmittag kamen ein paar
Arbeiter mit ihren Krügen vom Feld. Ich füllte sie mit Bier von den Fässern,
gab jedem ein Freibier zum Probieren, beobachtete sie beim Fortgehen und rieb
mir die Hände.
An diesem Abend war die Schenke
voll, am nächsten auch, und Tom Carter blieb. Wenn Master Jim sich daran
erinnerte, daß er gestern etwas über den kleinen Tom auf der Landstraße gesagt
hatte, dann sagte er jetzt nichts weiter darüber. Das einzige, was ihn
interessierte, war das verdammte Stück, das er schrieb, „Der Prinz der
Karibik“. Ab und zu, wenn ich mir in der Schankstube die Füße abwetzte, kam er
herein, mit wildem Haar, Papier und Bleistift in der Faust, packte mich beim
Arm und deklamierte etwas wie:
„Verderben sollst du, ruchloser
Herrscher!“
Ich sagte ihm ehrlich meine
Meinung, und weg war er und überarbeitete es. Es war offensichtlich, daß die
Kundschaft, die ich ihm zuführte, die volle Schenke und der Brauereiknecht, der
mir fast die Hände küßte, ihm piepegal waren. Doch dem Schuft gab ich den
Laufpaß, sobald unser eigenes Bier gebraut war, und ließ Weine von einem
anderen Betrieb aus Bristol kommen, so daß wir noch einen Handelszweig aufbauen
konnten.
Master Jim dachte nur an sein
Stück und die Chance, es in Bristol auf die Bühne zu bringen, wo sie gerade ein
Theater eröffnet hatten, in dem ein junger Kerl wie er selbst Direktor war, und
wo, wie ihr vielleicht erraten habt, Lady Alice ein regelmäßiger Besucher war,
wie ich bald durch Betsy herausfand.
Betsy kam ein paarmal mit einem
Auftrag vom Herrenhaus herüber. Der Squire hielt es für günstig, seinen
Portwein und die „Bristol milk“ durch meine guten Verbindungen zu beziehen. Sie
steckte mir einen Shilling mit der Bemerkung zu, daß jeden Monat einer fällig
wäre, wenn ich „die Augen offenhielte“. Ich sagte ihr nicht, daß ich zwanzigmal
so viel verdienen könnte, wenn ich meinen Herrn betröge. Statt
dessen steckte ich den Shilling ein, blinzelte ihr zu und sagte
„Ausgezeichnet“. Sie pflegte ab und zu in die Schankstube zu schlüpfen, wo ich
mit dem Besen hantierte. Manchmal erwischte sie mich, wenn ich mich bückte und
kniff mich in den Hintern. Doch wenn ich Gleiches mit Gleichem vergelten
wollte, entwischte sie und gaffte mich an.
Doch Kneifen und Shillinge
beiseite, ich hielt die Augen offen. Es gab seltsame Dinge zu sehen und zu
hören.
Und nichts war seltsamer als
Master Jim und sein Stück. Während es langsam Szene um Szene entstand, fing er
an, es abends in die Schankstube zu bringen.
Dann spendierte er jedem ein
Glas und zwang die Runde, der Szene zuzuhören, die er gerade zu Ende gebracht
hatte, oder gar ihm zu helfen: sie mit verteilten Rollen vorzulesen. In dieser
Stimmung war er der rücksichtsloseste Kerl, den man je gesehen hatte, er schlug
mit der Hand auf den Tisch, um ringsum Ruhe zu haben, er brauste in
leidenschaftlichem Zorn auf, wenn jemand eine Zeile falsch vortrug oder sein
Stichwort verpaßte, oder wenn er meinte, daß die Runde der Handlung nicht
folgte. Er erlaubte auch niemandem fortzugehen, ehe die Probe beendet war.
Einmal wagte ein Landarbeiter nach einem solch anstrengenden Abend dreist
herauszuplatzen: „Master Jim, dies ist ja gut und schön für die oberen
Zehntausend, dies hier.
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