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Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Titel: Die zweite Fahrt zur Schatzinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Leeson
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Aber ich hätt’ lieber ‘n richtiges Seemannsgarn. Lies
uns doch deine Geschichte über den Schiffskoch vor.“
    Master Hawkins fuhr ihn an.
    „Welche Geschichte? Ich kenne
keine solche Geschichte.“
    Der Junge war verlegen, ließ
aber nicht locker.
    „Doch, Master Jim, du weißt
schon, diese Papiere, die du oben in deinem Zimmer hast, was der Squire und Dr.
Livesey dich über die Schatzinsel aufschreiben ließen.“
    „Ja, ja“, fielen die anderen im
Chor ein, „Die Schatzinsel“, und einer murmelte: „Und zum Teufel mit dem ,Prinz der Karibik’!“ Master Jim bot ein schreckliches
Bild in seinem Zorn. Er ging auf den unglücklichen Jungen zu, der sich voller
Angst verzog. Aber er besann sich eines Besseren und stampfte aus dem Raum. An
jenem Abend sahen wir ihn nicht mehr in der Schankstube und an manchem
kommenden auch nicht.
    Doch als ich in jener Nacht mit
den Schlüsseln hinauf in sein Zimmer ging, fand ich ihn auf dem Bett sitzen,
eine Kerze neben sich, ein Bündel Papiere auf den Knien; er starrte ins Nichts,
und sein Gesicht war leer und jungenhaft. Ich sprach ihn an. Er hörte nicht ein
Wort. Ich legte die Schlüssel neben ihn und ging zu Bett. In der nächsten Woche
war Dr. Livesey zufällig in der Gaststube. Er kam einmal, um zu sehen, wie es
der alten Dame ging, und zum andern, um den neuen Madeira zu probieren, von dem
ich eine Kiste vom Hafen erhalten hatte. Ich trug ihm die Angelegenheit vor.
Warum wurde mein Herr so leidenschaftlich, wenn das Wort „Schatzinsel“ geäußert
wurde? Alle Männer erzählten aus ihrer Vergangenheit, Soldaten und Seeleute
erzählten von Kriegen und Reisen, warum hütete Master Hawkins seine
Vergangenheit so geheimnisvoll? Um ehrlich zu sein, ich hoffte, nicht allein
etwas über Master Jim, sondern auch über andere Dinge zu erfahren.
    Aber der Doktor blickte grimmig
drein und sagte: „Als Jim in deinem Alter war, sah er Männer wie Fliegen
sterben. Er hat einen Mann umgebracht und wäre beinah selbst dafür umgebracht
worden. Er möchte vergessen, und ich bin nicht derjenige, der ihn erinnern
wird.“
    Ich dachte nach — ich hatte
beinah einen Mann getötet. Aber ich sagte nichts. Ich hatte eine geheimnisvolle
Vergangenheit wie mein Herr und hatte weder den Wunsch, selbst darin
herumzustochern, noch wollte ich, daß andere es taten.
    Doch es sind nicht unsere
Wünsche, die die Welt regieren. Meine nächsten Karten enthielten kein As,
sondern einen Joker. Meine Vergangenheit holte mich ein.

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9 .
Mr. Argent tritt auf
     
     
    Herbst und Winter vergingen
ohne allzu viel Aufregung. Zwei Jahre zuvor war das Brot knapp und teuer gewesen.
Es hatte Aufstände gegeben, die Hungernden hatten Getreideschober angezündet
und die Türen der Kornspeicher eingeschlagen, Truppen wurden herbeigerufen, und
der Henker war der meist beschäftigste Kerl in der Grafschaft. Doch zwei gute
Ernten ließen das zur Vergangenheit werden, wenn die Erinnerung daran auch
lebendig blieb. Wer auf dem Land oder in der Werkstatt arbeitete, hatte
Kleingeld übrig, und das bekam ich in der Schankstube vom „Admiral Benbow“ zu
sehen. Ich war beschäftigt, mein Herr war es auch. Sein Stück wurde fertig, was
ihn freute und die Stammgäste im „Admiral Benbow“ nicht weniger, die ihre
Abende jetzt friedlich verbringen konnten.
    Der Frühling kam, bevor wir
wußten, wie uns geschah. Frische Winde brachten den Geruch nach grünem Gras und
Blumen vom Landesinnern mit. Dann fuhr eines Tages der Junge mit der Post vom
Dörfchen herüber, da Old Postie zu betrunken dazu war. Master Hawkins kam im
Zustand höchster Erregung in die Schankstube. Mistress Hannah More (er war
sicher, daß ich von ihr gehört hatte), eine Förderin des Theaters, und, wie man
sagt, eng mit dem Schauspieldirektor Garrick befreundet, hatte sein Stück
gelesen und erklärt, er müßte sofort nach London fahren und den großen Mann
aufsuchen.
    Er schien tagelang wie im
Fieber herumzugehen, nicht zum wenigsten vor lauter Nachdenken, wie er seine
Mutter überzeugen könnte, daß sie ihn aus ihrer Obhut entließe. Aber er hätte
sich nicht zu sorgen brauchen. Die alte Dame war in den letzten Monaten etwas
vergeßlich geworden, ganz zu schweigen von ihrer Kurzsichtigkeit. Sie lebte
meist in der Vergangenheit und nannte mich regelmäßig Jim, während sie ihn kaum
wahrnahm. Als er ihr nach vielem Zaudern und Zagen sagte, daß er nach London
ginge, faltete sie die Hände über der Pistole im Schoß

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