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Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Titel: Die zweite Fahrt zur Schatzinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Leeson
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mir, tief in der Bucht, sah ich ein Schiffswrack. Es war
ein großer Dreimaster gewesen, hatte aber so lange dem Wetter ausgesetzt
dagelegen, daß es rundum mit einem Netz von Seetang behängt war. Büsche von der
Küste hatten an Deck Wurzeln geschlagen und standen jetzt in voller Blüte. Das
Schiff bot einen traurigen Anblick, zeigte mir aber, daß der Ankerplatz sicher
war.
    Nach
einer weiteren halben Stunde hatte ich mich zur Küste vorgekämpft, sprang ins
seichte Wasser und sagte meinem Tonnenschiff Lebewohl. Mehr von Neugier als irgend etwas anderem getrieben lief ich an der sandigen
Küste entlang. Das Schilfrohr war allmählich den Strand hinab und auf das Wrack
zu gewachsen, das mit einer seltsamen Girlande von Büschen und Blumen
geschmückt war.
    Doch
es gab noch Merkwürdigeres zu sehen. Als ich näher an das Wrack herankam — und
es saß hoffnungslos auf einer Sandbank fest — sah ich, daß die Blätter und
Zweige an Bord mir bekannt vorkamen. Nicht, daß ich wußte, was für eine Art
Busch es war, doch sie hatten alle eine regelmäßige Größe und Form, als ob
jemand sie wie eine Hecke geschnitten hätte. Das Deckhaus unter einem Baldachin
von Moos sah ganz wie die Hütte eines Siedlers aus, die von einem Garten
umgeben ist.
    Noch
merkwürdiger. Eine doppelte Laufplanke mit einem groben Geländer, an dem man
sich festhalten konnte, reichte vom Strand zum Schiff. Im Nu war ich darauf und
stieg zum Deckgarten hoch, der wirklich einer war. Einmal an Deck, sah ich rund
um mich kleine Wiesenstücke und Blumenbeete, die durch säuberliche Pfade
getrennt waren. Sie ließen die Dielen des Schiffes, die hier und da grob
geflickt waren, hindurchscheinen.
    Auf
einem Wiesenstück graste ein angepflocktes Tier, eine Ziege mit strotzendem
Euter. Milch, dachte ich. Ich sah mich um und siehe da, an einem Zapfen neben
der Tür des Deckhauses hing ein Eimer, und darunter stand ein unförmiger,
dreibeiniger Schemel. Doch als ich mich der Ziege näherte, um meinem Fasten ein
Ende zu machen, war sie plötzlich auf der Hut und fing an, aufgeregt zu
meckern, fast als hätte sie ihre wahre Natur vergessen und hielte sich für
einen Wachhund. Ich stutzte und wandte mich zur Tür des Deckhauses. Sie stand
offen: „Hallo, jemand zu Hause?“ rief ich. Von den Bäumen an der Küste
antwortete ein Chor von Vogelstimmen. Doch ich bekam keine Antwort als das
Meckern der Ziege.
    Ich
wünschte, daß ich einen Hut zum Abnehmen gehabt hätte und drängte mich durch
den niedrigen Eingang. Drinnen war es düster, doch hell genug, um die
getäfelten Wände eines Prunkraums mit einem Tisch und vier Stühlen in der Mitte
zu erkennen. Alles war ordentlich und sauber, und es war für drei gedeckt. Doch
es gab noch mehr und noch Merkwürdigeres. Denn wenn meine Augen mich nicht
täuschten, war das Tafelsilber aufgelegt, das ich in den besten Häusern in
Bristol oder im Trelawney-Herrenhaus gesehen hatte.
    Ich
stand stockstill. Dort saßen zwei Gestalten so tief in die Stühle gesunken, daß
ich sie nicht bemerkt hatte.
    Ich
nahm an, daß sie fest schliefen, da ihre Hüte tief über die Augen gezogen
waren. Ich trat näher, aber leise, denn Leute, die zu plötzlich geweckt werden,
können unfreundlich sein. Auf den beiden Stuhllehnen war etwas eingeschnitzt.
Das eine hieß: „Tom Morgans Platz“, das andere: „Ben Creechs Platz“. Noch
leiser ging ich langsam weiter und bückte mich, um die Stühle auf der anderen
Seite anzuschauen. Auf einem war „Dick Johnsons Platz“ eingekerbt, auf dem
andern stand kein Name.
    Ich
stützte mich auf die Lehne des vierten Stuhles und blickte auf, um die Herren
Morgan und Creech mit sanfter Stimme anzusprechen, um sie nicht zu plötzlich zu
wecken.
    Es
hatte keinen Sinn. Sie würden weder für mich noch für irgend
jemanden sonst aufwachen. Ihre Augen waren blicklose Löcher, ihre Gesichter
grinsende Schädel und ihre Hände, die aus den geflickten Ärmeln ihrer Mäntel
herausschauten, nackte Knochen.

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26 .
Die Skelett-Mannschaft
     
     
    Ich
drehte mich um, um aus diesem Eßzimmer des Teufels herauszurennen, und kam gerade
bis zur Tür. Dann sah ich die harmlose, meckernde Ziege mit dem prallen Euter
und hielt an. Skelette können einem nichts zuleide tun. Gespenster halten keine
Ziegen. Und wer auch immer Dick Johnson war, der Fehlende im Trio, er lebte.
Und allem Anschein nach war er ein ordentlicher, zivilisierter Bursche, wenn
auch ein wenig komisch im Kopf. Seine

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