Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
du doch gar nicht wissen“, rügte Sabine sie.
„ Wir haben uns später, als sie in Bonn war, gelegentlich getroffen“, berichtete Sabine, „aber Eva hat nie erwähnt, ob sie weiß, wer ihr Vater ist oder ob sie etwas vermutet. Sie hat überhaupt nie das Wort Vater erwähnt.“
„ Dann wird sie wohl auch nicht wissen, dass sie eine Halbschwester hat“, mutmaßte Anke.
„ Nein, wahrscheinlich weiß sie auch davon nichts. Aber beschwören möchte ich es nicht“, gab Sabine zu. „Woher sollte sie auch wissen, dass eine Bischoff ihre Halbschwester ist und wo hätten sie sich begegnen sollen?, wenn Eva nicht mal ihren Vater kennt und ihr der Name nichts sagt.“
„ Wann haben Sie Eva zum letzten Mal gesehen?“
„ Das ist schon Jahre her. Als sie nach Bonn gezogen ist, ist der Kontakt nach und nach eingeschlafen. Ich habe erst wieder von ihr aus der Zeitung gehört, nachdem sie ihren Mann umgebracht hat. Da habe ich mich noch gewundert, dass sie einen Arzt geheiratet hat, eben das geschafft hatte, was ihrer Mutter verwehrt geblieben war.“
Anke schaltete das Gerät aus.
„So, das war’ s fürs Erste. Jetzt bist du dran.“
Wolf trank einen kräftigen Schluck aus seinem Weinglas, dann stand er auf, holte aus der Küche eine Flasche Wasser, füllte sich ein Glas und trank es in einem Zug leer. Anschließend begann er eine längere Wanderung durch Wohn- und Esszimmer, die durch eine ausgehängte Tür verbunden waren.
„Die Zeichnung ist typisch“, murmelte er, als er gerade mal wieder am Sofa vorbeikam, auf dem Anke sich ausgestreckt hatte. Schließlich blieb er vor ihr stehen und sah ihr in die grünen Augen.
„ Jetzt weiß ich, wo ich Dienstag ansetze.“
„ Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, warnte Anke ihn.
***
Als die junge neue Pflegerin ihn durch die Sicherheitsschleuse auf die Station ließ, spürte Wolf eine Gefühlsspannung in sich. Aber sie hatte nichts mit dem beklemmenden Empfinden zutun, das ihn jedes Mal heimsuchte, wenn er die Geschlossene betrat. Für einen Augenblick dachte er, wie schön es wäre, wenn er Eva Seitz völlig zwanglos in seiner behaglich eingerichteten Praxis empfangen könnte. Immerhin hielt kein Pfleger mehr währenden der Sitzungen vor ihrer Tür Wache. Und sie wurde nun auch nicht mehr zeitweise eingeschlossen. Ein Fortschritt, den sie ihrem Verhalten in den Sitzungen zu verdanken hatte. Je näher er ihrer Tür kam, umso deutlicher ahnte er plötzlich, warum diese Spannung in ihm war. Er wusste mehr von ihr, als sie bereit war, ihn wissen zu lassen. Und nun stand er vor dem Problem, wie an sie herankommen, ohne dieses Wissen zu offenbaren, denn das würde sie garantiert verletzen. Am Sonntag hatte es für ihn noch so einfach ausgesehen. Er dachte an Ankes Warnung Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste . Bei dem Gedanken an sie lächelte er. Anke besaß die außergewöhnliche Fähigkeit, die Dinge kurz und knapp indirekt auf den Punkt zu bringen. Ohne zu wissen, wie er es nun anpacken würde, klopfte er an ihre Zimmertür.
„ Herein!“
Ihre Stimme hörte sich gut an. Demzufolge war sie nicht mehr schlechter Laune. Wolf sah es als Zeichen des Himmels, der ihm beistehen würde. Vielleicht, so hoffte er, hatte sie sich vorgenommen, endlich wieder mit ihm zu sprechen. „Komm Junge“, murmelte er zu sich, „vertraue dir. Du hast es immer geschafft, sie ist nur eine Patientin.“ Forsch öffnete er die Tür, blickte sofort in die Ecke, wo er sie richtig vermutete und lächelte Eva Seitz bei seinem Gruß, ohne dass er es wollte, herausfordernd in ihre azurblauen Augen. Die glatt gekämmten Haare fielen ihr fast bis auf die Brustwarzen. Ihr Schwanenhals ragte aus einer weißen Bluse mit spitzem Kragen, dessen obere Knöpfe sie geöffnet hielt. Ihm fiel auf, dass sie keinen BH trug. Für Sekunden ließ er seine Oberlider sinken, fing sich aber sofort wieder.
„Ihr Therapeutenfuzzi meldet sich zur Sitzung“, versuchte er ganz unkonventionell, ihre starre Maske zu einer Bewegung zu zwingen. Aber sie presste nur die Lippen aufeinander. O Gott dachte Wolf, immer noch Schweigen angesagt. Er zog seinen Recorder aus der Jacketttasche und legte ihn auf den Tisch. Eva sah das Ding an, als würde es jeden Augenblick explodieren.
„ Sie brauchen es gar nicht einzuschalten“, zischte sie hervor.
Wolf setzte sich wie jedes Mal ihr gegenüber. Er deutete mit seinen Händen eine Bewegung an, als wolle er sagen, schauen wir mal und
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